8/10 Der Preis ist heiß
Warum Ihr nächster Einkauf mehr über Psychologie als über Ihren Geldbeutel aussagt
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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational zu sein als auch falsch zu liegen." Unser Werkzeug eines Chief Behavioral Officers heute:
Verhaltensökonomie und Preisstrategien: Eine komplexe Beziehung
Stellen Sie sich vor, Sie sind der Geschäftsführer eines neu gegründeten Kaffeeshops in der Innenstadt. Ihre Aufgabe ist es, die Preise für die Kaffeespezialitäten festzulegen. Nach eingehender Analyse der Kosten und potenziellen Gewinnmargen entscheiden Sie sich, den Preis für einen Latte Macchiato auf 3,50 € zu setzen. Doch die Kundenreaktionen fallen anders aus als erwartet. Während einige Kunden bereitwillig zahlen, zögern andere und verweisen auf den günstigeren Kaffee im Laden nebenan, der nur 2,95 € kostet.
Diese Situation führte zu einem Experiment: Sie bieten nun zwei Versionen des Latte Macchiato an – eine Standardversion für 3,25 € und eine "Deluxe"-Version mit Premium-Milch für 3,85 €. Überraschenderweise steigen daraufhin nicht nur die Verkäufe der teureren Version, sondern auch die der günstigeren Option. Ihre Kunden fühlen sich durch die Wahlmöglichkeit angezogen und empfinden die Preise als gerechtfertigter, was zu einer insgesamt höheren Kundenzufriedenheit und gesteigerten Umsätzen führt.
Wie funktioniert das? Science, baby!
Das menschliche Gehirn ist auf interessante Weise anfällig für bestimmte psychologische Tricks. In der Preisgestaltung nutzt man häufig das Konzept des "Ankereffekts". Dieser Effekt tritt auf, wenn das erste wahrgenommene Angebot als Referenzpunkt (Anker) für alle weiteren Entscheidungen dient. Indem die "Deluxe"-Version für 3,85 € eingeführt wurde, dient dieser Preis als Anker, der die 3,25 € für die Standardversion attraktiver erscheinen lässt.
Ein weiteres wichtiges Prinzip ist das der "Preis-Schmerz-Minderung". Durch die Schaffung von Wahlmöglichkeiten, wie in unserem Kaffeeshop-Beispiel, gibt man den Kunden das Gefühl, Kontrolle über ihre Kaufentscheidung zu haben, was den psychologischen Schmerz des Bezahlens tatsächlich reduziert.
Warum das wichtig ist?
Die Verhaltensökonomie gibt uns tiefe Einblicke, wie Menschen Preise wahrnehmen und interpretieren. Diese Erkenntnisse sind für jedes Unternehmen, das seine Produkte oder Dienstleistungen preislich optimal positionieren möchte, von unschätzbarem Wert. Die psychologischen Effekte, die bei der Preisgestaltung eine Rolle spielen, helfen uns zu verstehen, warum Konsumenten manchmal gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen handeln.
Indem wir lernen, wie wir die Prinzipien der Verhaltensökonomie in der Preisgestaltung anwenden können, schaffen wir es nicht nur, den Umsatz zu steigern, sondern auch die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Dies führt zu loyaleren Kunden und einem stärkeren, nachhaltigeren Geschäft.
Nehmen wir an, Sie stehen vor dem Regal mit verschiedenen Schokoladensorten. Oben im Regal befinden sich die Premium-Schokoladen mit Preisen, die deutlich über dem Durchschnitt liegen. Unten sind die günstigsten Optionen platziert. Genau auf Augenhöhe – der sogenannten "Bull's Eye Zone" – finden Sie Schokoladen, die preislich zwischen den teuren und den billigen Varianten liegen.
Die Supermärkte nutzen hier das Prinzip der "relativen Positionierung". Die teuren Schokoladen oben im Regal setzen einen Preisanker. Sie machen die mittelpreisigen, auf Augenhöhe platzierten Schokoladen attraktiver, da sie im Vergleich günstiger erscheinen, obwohl sie teurer sind als die Produkte im unteren Bereich des Regals.
Die Kunden greifen oft zu den Produkten auf Augenhöhe, weil sie einerseits den Schmerz vermeiden möchten, zu viel auszugeben (im Vergleich zu den teuren Optionen oben), andererseits aber auch das Gefühl haben möchten, sich etwas Besseres zu gönnen als die billigste Variante. Dies führt zu höheren Verkaufszahlen bei den mittelpreisigen Produkten, ohne dass die Kunden sich bewusst sind, wie stark die Produktplatzierung ihre Entscheidung beeinflusst.
Und jetzt?
Mit diesem Wissen können Sie heute Ihren eigenen Alltag kritisch betrachten. Wo begegnen Ihnen Preise, und wie werden Sie dadurch in Ihren Entscheidungen beeinflusst? Vielleicht experimentieren Sie ein wenig und testen, ob Sie durch die Anwendung dieser Prinzipien Ihre eigenen Kaufentscheidungen oder die Ihrer Kunden beeinflussen können. Die Welt der Preise ist voller psychologischer Fallen und Möglichkeiten – nutzen Sie sie weise!
Preisgestaltung mit präzisen Zahlen: Wenn Sie zum Beispiel etwas verkaufen oder einen Preis verhandeln, verwenden Sie spezifische, ungerade Zahlen statt runder Beträge (z.B. 297 € statt 300 €). Studien zeigen, dass präzise Zahlen als sorgfältiger kalkuliert und daher als ehrlicher und überzeugender wahrgenommen werden.
Einführung einer 'Prestige-Pricing'-Strategie: Wenn Sie eigene Produkte oder Dienstleistungen anbieten, könnten Sie eine sehr hochpreisige Option einführen, die Sie eigentlich nicht erwarten zu verkaufen. Dies dient als Anker, der Ihre tatsächlich gewünschten Angebote im mittleren Preissegment attraktiver und erschwinglicher erscheinen lässt, weil sie im Vergleich zum "Luxus"-Produkt günstiger sind.
Statt Geldrabatte zu bieten, kommunizieren Sie den Wert Ihrer Produkte oder Dienstleistungen in Form von Zeitersparnis. Betonen Sie, wie Ihr Angebot Kunden hilft, wertvolle Zeit zu sparen. Zum Beispiel: "Sparen Sie jeden Morgen 20 Minuten mit unserem schnellen Frühstücksservice!" Dies kann besonders attraktiv für beschäftigte Menschen sein, die Zeit oft wertvoller als Geld betrachten.
Unterm Strich
Die Kunst der Preisgestaltung in der Verhaltensökonomie zeigt, dass nicht immer der niedrigste Preis gewinnt. Stattdessen ist es das Verständnis darüber, wie Kunden Preise wahrnehmen und bewerten, das den Unterschied macht. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal vor einer Preisentscheidung stehen.
In einer zehnteiligen Serie innerhalb dieses CBO Nugget Newsletters beleuchten wir die transformative Kraft der Verhaltensökonomie in verschiedenen Geschäftsbereichen. Von der Produktentwicklung bis zur Ethik, diese Serie zielt darauf ab, ein tieferes Verständnis dafür zu schaffen, wie verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse angewendet werden können, um Entscheidungen, Strategien und Prozesse in Unternehmen zu optimieren. Jeder Beitrag dieser Serie widmet sich einem spezifischen Thema, um zu illustrieren, wie Verhaltensökonomie praktisch angewendet werden kann, um bessere Ergebnisse zu erzielen, die Kundenbindung zu stärken, Innovationen zu fördern und letztendlich einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu haben. Begleiten Sie uns auf dieser spannenden Reise, während wir erkunden, wie ein tiefes Verständnis menschlichen Verhaltens die Grundlage für erfolgreichere und ethisch verantwortungsvollere Geschäftspraktiken bildet.
Hier alle 10 Themen des Sprints innerhalb des CBO Nugget:
Die Rolle der Verhaltensökonomie in der Produktentwicklung
Verhaltensökonomie im Marketing
Entscheidungsarchitektur in der Unternehmensführung
Verhaltensökonomie und Kundenbindung
Bias-Aufklärung und Entscheidungsfindung
Innovationsförderung durch Verhaltensökonomie
Nachhaltigkeit und Verhaltensökonomie
Verhaltensökonomie in der Preisgestaltung (sie lesen gerade diesen Nugget)
Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz
Ethik und Verhaltensökonomie
Chief Behavioral Officer gesucht
Wo werden täglich Managemententscheidungen getroffen, die immer noch vom logisch handelnden Menschen ausgehen? Wo können Sie diese Woche selbst ein Chief Behavioral Officer sein?
Wir sehen uns kommenden Dienstag.
Wenn Sie uns Tipps oder Feedback senden möchten, dann schicken Sie uns eine E-Mail an redaktion@cbo.news. Vielen Dank.