Das unsichtbare Labyrinth: Wie der Survivorship Bias unsere Entscheidungen heimlich lenkt
Entdecken Sie die versteckten Fallen des Survivorship Bias und wie Sie sie umgehen können, um bessere Entscheidungen zu treffen.
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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational zu sein als auch falsch zu liegen." Unser Werkzeug eines Chief Behavioral Officers heute:
Survivorship Bias
Ich war frisch aus der Uni, voller Energie und Ambitionen, als ich eine Einladung zu einer exklusiven Konferenz für Start-up-Gründer erhielt. Die Atmosphäre war elektrisierend, und ich konnte den Duft des Erfolgs in der Luft riechen. Als Emily, die charismatische Selfmade-Millionärin, die Bühne betrat, hing der ganze Saal an ihren Lippen. Sie erzählte ihre Cinderella-Story: von der Idee, die sie in einer schlaflosen Nacht hatte, bis zum Verkauf ihrer App für Millionen. Sie sprach von den Opfern, die sie bringen musste – keine Freizeit, keine Ferien, die Trennung von ihrem langjährigen Freund, und wie sie sogar ihre Wohnung verkaufte, um in ihre Idee zu investieren.
"Das Geheimnis des Erfolgs ist einfach", sagte sie. "Folgt eurer Leidenschaft, riskiert alles, und der Erfolg wird kommen. Ich bin der lebende Beweis dafür."
Ich war so beeindruckt und inspiriert, dass ich mich wie in einem Rausch fühlte. Ich dachte, das ist es, das ist der Weg zum Erfolg. Ich kündigte meinen stabilen, aber unerfüllenden Job in einer renommierten Firma, löste meine Ersparnisse auf und stürzte mich Kopf über in meine eigene Geschäftsidee. Ich entwickelte eine App, die nach meinem Dafürhalten revolutionär war. Ich arbeitete 16-Stunden-Tage, isolierte mich von meiner Familie und meinen Freunden und investierte jeden Cent, den ich hatte.
Ein Jahr später saß ich in meinem kleinen, mittlerweile fast leeren Apartment und starrte auf den Bildschirm. Die App war ein Flop, meine Ersparnisse waren aufgebraucht, und ich war am Ende meiner Kräfte. Ich fühlte mich wie ein Versager und konnte nicht fassen, wie ich so naiv sein konnte.
In diesem Moment wurde mir der Survivorship Bias in Emilys Geschichte schmerzlich bewusst. Sie war eine der wenigen Glücklichen, die es geschafft hatten, aber was war mit all den anderen, die gescheitert waren? Niemand sprach über die unzähligen Start-ups, die scheiterten, über die gebrochenen Träume und verlorenen Ersparnisse. Ich hatte mich von einer verzerrten Darstellung des Erfolgs blenden lassen, weil ich nur die Geschichten der "Überlebenden" gehört hatte.
Diese harte Lektion lehrte mich, kritischer zu sein und die ganze Bandbreite der möglichen Ergebnisse zu betrachten, nicht nur die glänzenden Erfolgsgeschichten. Es war eine schmerzhafte Erfahrung, aber eine, die ich nie vergessen werde.
Wie funktioniert das? Science, baby!
Das Phänomen, das in dieser Geschichte beschrieben wird, ist als Survivorship Bias bekannt. Es ist eine kognitive Verzerrung, bei der wir uns auf die erfolgreichen Fälle konzentrieren und diejenigen ignorieren, die gescheitert sind. In der Welt der Start-ups, wie im Beispiel, hören wir oft von den "Einhörnern" und Selfmade-Millionären, aber selten von den zahlreichen Unternehmen, die scheitern und nie ins Rampenlicht kommen. Diese selektive Wahrnehmung kann zu einer verzerrten Sicht der Realität führen und uns dazu verleiten, Risiken zu unterschätzen und übermäßig optimistische Entscheidungen zu treffen. In der Psychologie und Statistik ist es wichtig, eine vollständige Datengrundlage zu haben, um fundierte Schlussfolgerungen ziehen zu können. Der Survivorship Bias kann nicht nur individuelle Entscheidungen negativ beeinflussen, sondern auch wissenschaftliche Studien und Geschäftsstrategien verzerren.
Warum das wichtig ist?
Stell dir vor, du bist ein angehender Unternehmer und hörst immer wieder die inspirierenden Geschichten von Tech-Millionären, die es mit einer großartigen Idee und ein bisschen Glück geschafft haben. Du bist so begeistert, dass du beschließt, deinen sicheren Job zu kündigen und all deine Ersparnisse in deine eigene Start-up-Idee zu investieren. Schließlich, wenn sie es geschafft haben, warum solltest du es nicht auch können, richtig?
Einige Monate vergehen, und trotz deiner besten Bemühungen und unermüdlichen Arbeit stellst du fest, dass die Dinge nicht so laufen, wie du es dir vorgestellt hast. Die Kunden strömen nicht herein, und das Geld wird knapp. Du beginnst, dich zu fragen, was du falsch gemacht hast. War deine Idee nicht gut genug? Hast du nicht hart genug gearbeitet?
Dann stößt du auf den Begriff "Survivorship Bias" und erkennst, dass du nur die Geschichten der Erfolgreichen gehört hast, nicht die der vielen, die gescheitert sind. Du hattest eine verzerrte Vorstellung von Erfolg und Risiko, weil du nicht alle Faktoren berücksichtigt hast, die zum Scheitern oder Gelingen eines Unternehmens beitragen können.
Diese Erkenntnis ist ein Weckruf. Du verstehst jetzt, dass es wichtig ist, eine ausgewogenere Perspektive zu haben und sowohl Erfolge als auch Misserfolge in deine Planung und Entscheidungsfindung einzubeziehen. Dieses Bewusstsein für den Survivorship Bias kann dir helfen, realistischere Erwartungen zu setzen, bessere Entscheidungen zu treffen und letztlich resilienter im Angesicht von Herausforderungen zu sein. Es ist eine Lektion, die du nicht nur im Geschäftsleben, sondern in vielen Aspekten deines Lebens anwenden kannst.
Und jetzt?
Jetzt, da du den Survivorship Bias kennst, kannst du sofort Maßnahmen ergreifen, um ihn in deinem eigenen Leben zu minimieren. Wenn du heute eine wichtige Entscheidung treffen musst, sei es beruflich oder privat, nimm dir einen Moment Zeit und versuche, ein vollständigeres Bild der Situation zu bekommen.
Wenn du zum Beispiel darüber nachdenkst, in eine bestimmte Aktie zu investieren, schaue nicht nur auf die Erfolgsgeschichten. Informiere dich auch über Unternehmen, die in ähnlichen Bereichen gescheitert sind, und frage dich, warum das passiert ist.
Oder wenn du an einem neuen Fitnessprogramm interessiert bist, lies nicht nur die strahlenden Rezensionen. Suche auch nach Erfahrungen von Leuten, die keine Ergebnisse gesehen haben, und versuche zu verstehen, warum das so ist.
Die Kenntnis des Survivorship Bias kann dir helfen, fundiertere und realistischere Entscheidungen zu treffen, die dich vor unnötigen Fehlern und Enttäuschungen bewahren können. Nutze dieses Wissen weise, und du wirst besser für die Herausforderungen des Lebens gerüstet sein.
Unterm Strich
Der Survivorship Bias verleitet uns dazu, nur die Erfolgsgeschichten zu beachten und die Misserfolge zu übersehen, was zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität und potenziell fehlerhaften Entscheidungen führt.
Checkliste für den Umgang mit dem Survivorship Bias in alltäglichen Entscheidungen
1. Breite Datenbasis prüfen: Bevor du eine Entscheidung triffst, stelle sicher, dass du sowohl Erfolgs- als auch Misserfolgsgeschichten berücksichtigst.
2. Kontext verstehen: Analysiere den Kontext, in dem die Erfolgsgeschichten stattgefunden haben. Sind die Bedingungen vergleichbar mit deiner Situation?
3. Risikofaktoren identifizieren: Überlege, welche Risiken in den Misserfolgsgeschichten eine Rolle gespielt haben und ob diese auch für dich relevant sein könnten.
4. Ausgewogene Beratung suchen: Hole dir Rat von verschiedenen Quellen und nicht nur von denen, die erfolgreich waren.
5. Kritische Fragen stellen: Frage dich, ob die Erfolgsgeschichten wirklich auf Talent und Strategie basieren oder ob Glück und Zufall eine Rolle gespielt haben könnten.
6. Alternativen in Betracht ziehen: Denke an verschiedene Handlungsoptionen und wie diese von Survivorship Bias beeinflusst sein könnten.
7. Entscheidung treffen und reflektieren: Treffe deine Entscheidung auf Basis einer ausgewogenen Analyse und reflektiere später, um zu verstehen, wie Survivorship Bias deine Wahl beeinflusst haben könnte.
Diese Checkliste soll dir helfen, bewusstere Entscheidungen zu treffen, die nicht nur auf den sichtbaren Erfolgen basieren, sondern ein realistischeres Bild der Situation berücksichtigen.
Chief Behavioral Officer gesucht
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