Der Repetitionsbias – Wenn Wiederholung zur Illusion der Wahrheit führt
Wie oft gehört ist nicht gleich wahr – die Tücken der Wiederholung.
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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational als auch falsch zu sein."
Wiederholung macht's wahr?
Das Problem:
Es war ein typischer Abend, als ich die Nachrichten durchstöberte, und mir eine bestimmte Zahl ins Auge sprang: „75 % der Menschen bevorzugen X über Y“. Interessant, dachte ich mir, und scrollte weiter. Am nächsten Tag tauchte die Zahl wieder auf, diesmal in einem sozialen Netzwerk. Wieder 75 %. Und dann erneut, in einem Artikel. Ohne es zu merken, begann ich, diese Zahl als unumstößliche Wahrheit zu akzeptieren. Was ich jedoch nicht wusste, war, dass ich Opfer des Repetitionsbias geworden war.
Die Forscher der University of Surrey haben in einer Studie im August 2024 diesen Effekt eindrucksvoll beleuchtet. Sie fanden heraus, dass Menschen Informationen, die sie mehrfach hören oder sehen, unverhältnismäßig viel Gewicht beimessen. Die einfache Wiederholung lässt uns glauben, dass etwas wahr oder bedeutungsvoll ist, obwohl es sich nur um eine bloße Wiederholung handelt. Wie oft haben wir uns von einer wiederholten Werbebotschaft oder einer oft erwähnten Statistik beeinflussen lassen, ohne die tatsächliche Faktenlage zu überprüfen?
Wie funktioniert das? Science, baby!
Der Repetitionsbias ist ein kognitiver Effekt, der darauf beruht, dass unser Gehirn Wiederholungen als ein Zeichen für Verlässlichkeit interpretiert. In den Experimenten der University of Surrey behandelten die Teilnehmer wiederholte numerische Informationen so, als wären sie neu, was zu Abweichungen von rationalen Entscheidungsmodellen führte. Unser Gehirn bevorzugt diese scheinbare Konsistenz, weil sie das Denken vereinfacht und Energie spart – ein Überbleibsel aus früheren Zeiten, als schnelle Entscheidungen überlebenswichtig waren. Doch in der modernen Welt kann dieser Mechanismus zu fatalen Fehleinschätzungen führen, besonders wenn es um Entscheidungen mit großen Konsequenzen geht.
Warum das wichtig ist
Der Repetitionsbias ist besonders in unserer heutigen Gesellschaft gefährlich, in der wir täglich mit massenhaften Informationen überflutet werden. Politische Kampagnen, Werbestrategien und sogar Nachrichtenportale nutzen diesen Effekt bewusst aus, um unsere Wahrnehmung zu steuern. Jede wiederholte Aussage scheint glaubwürdiger, auch wenn sie objektiv betrachtet vielleicht gar nicht wahr ist. Diese Verzerrung macht es schwierig, zwischen relevanten und irrelevanten Informationen zu unterscheiden, und führt dazu, dass wir Entscheidungen auf einer verzerrten Basis treffen. Wenn wir uns dieser Tendenz bewusst sind, können wir besser hinterfragen, was wir für wahr halten und warum.
Und jetzt?
Und jetzt? Es ist an der Zeit, dem Repetitionsbias die Stirn zu bieten. Bevor du heute eine Entscheidung triffst, die auf mehrfach gehörten Informationen basiert, stelle dir folgende Fragen: „Ist diese Information wirklich neu oder habe ich sie nur oft gehört?“, „Was sind die ursprünglichen Quellen dieser Information?“, „Welche anderen Perspektiven gibt es, die vielleicht nicht so oft wiederholt wurden?“ Indem du diese Fragen regelmäßig stellst, kannst du vermeiden, dass Wiederholung alleine deine Entscheidungsfindung dominiert.
Unterm Strich
Wahre Motivation entsteht, wenn wir uns auf den Weg, nicht nur auf das Ziel konzentrieren. Checkliste:
1. Quelle überprüfen und vergleichen:
Tipp: Bei jeder Information, die du mehrfach hörst, überprüfe die ursprüngliche Quelle. Frage dich: Woher stammt diese Information? Suche nach der Originalstudie, dem ersten Bericht oder der Quelle der Zahl. Häufig beziehen sich mehrere Artikel auf dieselbe Quelle – überprüfe, ob das bei dir auch der Fall ist.
Prüfbarkeit: Wenn du auf eine oft wiederholte Statistik stößt, gib die Schlüsselwörter in eine Suchmaschine ein und prüfe, ob verschiedene seriöse Quellen die gleiche Zahl melden. Achte darauf, ob die Quellen unterschiedliche Perspektiven bieten oder sich auf dieselbe Basisquelle berufen.
2. Aktive Gegenperspektive suchen:
Tipp: Suche bewusst nach Informationen, die der oft wiederholten Aussage widersprechen könnten. Alternativen zu hören, hilft dir, ein ausgewogeneres Bild zu bekommen.
Prüfbarkeit: Verwende gezielte Suchbegriffe wie „Gegenargumente“, „andere Meinung“ oder „kritische Analyse“ zu dem Thema. Achte darauf, wie gut diese Quellen ihre Argumente mit Daten untermauern.
3. Zeitliche Distanz schaffen:
Tipp: Wenn du eine Information oft gehört hast, warte ein paar Tage oder Wochen und prüfe, ob sie immer noch relevant erscheint. Der Abstand hilft, emotionale Reaktionen zu reduzieren und den rationalen Teil deines Gehirns zu aktivieren.
Prüfbarkeit: Notiere dir Aussagen, die dir besonders oft begegnet sind, und schaue nach einer gewissen Zeit erneut darauf. Überlege, ob du sie immer noch für wichtig hältst, oder ob sie durch andere Informationen überholt sind.
4. Faktencheck-Tools nutzen:
Tipp: Nutze spezialisierte Faktencheck-Websites, um Informationen auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Seiten wie Snopes oder Correctiv analysieren oft wiederholte Behauptungen und helfen dir, Wahrheit von Wiederholung zu unterscheiden.
Prüfbarkeit: Gehe auf eine Faktencheck-Website und suche nach der Information, die du überprüfst. Wenn es bereits eine Analyse gibt, lies sie durch und achte darauf, welche Argumente und Beweise für die Widerlegung genutzt werden.
5. Auf kognitive Verzerrungen achten:
Tipp: Trainiere dein Bewusstsein für kognitive Verzerrungen, indem du dir regelmäßig vor Augen führst, dass Wiederholung nicht gleichbedeutend mit Wahrheit ist. Notiere dir bewusst, wie oft dir eine Information begegnet und hinterfrage den Grund dafür.
Prüfbarkeit: Führe ein kleines Journal, in dem du festhältst, wie oft du bestimmte Aussagen hörst oder liest. Überprüfe am Ende der Woche, ob diese Wiederholungen deinen Glauben an die Aussage verstärkt haben, unabhängig von zusätzlichen Beweisen.
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