Die Illusion der Kompetenz: Wenn weniger Wissen zu mehr Selbstsicherheit führt
Entdecken Sie, wie unsere Wahrnehmung von Wissen und Fähigkeiten die Grenzen unserer eigenen Erkenntnis formt.
Lesezeit ca. 7 Minuten
Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational zu sein als auch falsch zu liegen." Unser Werkzeug eines Chief Behavioral Officers heute:
Der Dunning-Kruger Effekt
Es war ein sonniger Montagmorgen, als ich beschloss, an einem lokalen Schachturnier teilzunehmen. Mit nur ein paar Monaten Übung unter meinem Gürtel fühlte ich mich unerklärlicherweise wie der nächste Magnus Carlsen. Schachbücher? Brauchte ich nicht. Taktische Übungen? Zeitverschwendung, dachte ich. Ich hatte einige Partien gegen Freunde gewonnen, was in meiner Vorstellung ausreichte, um mich auf dem Schachbrett zu beweisen.
Beim Turnier angekommen, war ich von einer Mischung aus Aufregung und einer seltsamen Gewissheit erfüllt. In der ersten Runde traf ich auf einen älteren Herrn, dessen ruhige Ausstrahlung und bescheidene Aufmachung mich in falscher Sicherheit wiegte. "Das wird ein leichtes Spiel", dachte ich. Doch bereits nach wenigen Zügen fand ich mich in einer komplizierten Position wieder, die ich nicht vorhergesehen hatte. Mein Gegner, der sich als erfahrener Vereinsspieler herausstellte, manövrierte mich geschickt in eine Falle nach der anderen.
Mit jeder meiner Bewegungen, die er gekonnt konterte, wurde mir klarer, wie wenig ich eigentlich über das Spiel wusste. Meine anfängliche Selbstsicherheit verwandelte sich in Verwirrung und dann in Bewunderung für die subtilen Strategien meines Gegners. Nach dem Spiel, das ich erwartungsgemäß verlor, kam der ältere Herr auf mich zu. "Schach ist wie ein Ozean", sagte er freundlich. "Je mehr man lernt, desto bewusster wird man sich seiner Tiefe und der eigenen Begrenztheit."
Dieser Tag war eine Lektion in Demut und der Beginn meiner wirklichen Schachreise. Ich erkannte, dass wahres Können und Verständnis nicht nur aus Siegen gegen Anfänger stammen, sondern aus der ständigen Auseinandersetzung mit und der Anerkennung der eigenen Grenzen. Der Dunning-Kruger-Effekt hatte mich eingeholt und mir gezeigt, wie gefährlich Selbstüberschätzung sein kann, wenn sie nicht durch echtes Wissen und Erfahrung gestützt wird.
Wie funktioniert das? Science, baby!
Die Geschichte, die ich soeben erzählt habe, ist ein lebendiges Beispiel für den Dunning-Kruger-Effekt, ein Phänomen, das in der Psychologie weitreichend erforscht wurde. Dieser Effekt, benannt nach den Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger, beschreibt die kognitive Verzerrung, bei der Menschen mit geringem Wissen oder Können dazu neigen, ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Das grundlegende Problem ist nicht nur die Unkenntnis, sondern auch die Unfähigkeit, die eigene Unkenntnis zu erkennen. Das führt zu einer überschwänglichen Selbstsicherheit, die oft in direktem Gegensatz zur realen Kompetenz steht.
In meiner Schacherfahrung fehlte mir das tiefe Verständnis für die Komplexität des Spiels, das erfahrene Spieler entwickeln. Dunning und Kruger erklärten, dass für eine korrekte Selbsteinschätzung zwei Fähigkeiten notwendig sind: die Fähigkeit, eine Aufgabe korrekt auszuführen, und die Fähigkeit, die eigene Leistung objektiv zu beurteilen. Ohne ausreichendes Wissen und Erfahrung in einem Bereich kann eine Person beide Fähigkeiten nicht effektiv einsetzen, was zu einer verzerrten Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten führt. Dieser Mangel an Bewusstsein für die eigenen Grenzen ist das Kernstück des Dunning-Kruger-Effekts.
Warum das wichtig ist?
Stellen Sie sich vor, ich arbeite in einem mittelständischen Unternehmen als Projektmanager. Eines Tages wurde mir die Leitung eines wichtigen Projekts übertragen, das für den Erfolg des Unternehmens entscheidend war. Ich fühlte mich geehrt und gleichzeitig überzeugt von meinen Fähigkeiten, obwohl ich in Wirklichkeit nur wenig Erfahrung in der Leitung von Großprojekten hatte.
In den ersten Wochen schien alles reibungslos zu laufen. Ich traf Entscheidungen mit großer Selbstsicherheit und ignorierte die Ratschläge erfahrener Kollegen, da ich glaubte, alles im Griff zu haben. Doch als die ersten Probleme auftraten, wurden meine Mängel in der Projektplanung und Teamführung offensichtlich. Termine wurden verpasst, das Budget überschritten, und das Team war zunehmend frustriert über meine mangelnde Führungskompetenz.
Die Situation eskalierte, als einer der wichtigen Kunden unzufrieden war und drohte, das Projekt abzubrechen. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich meine Fähigkeiten überschätzt hatte. Ich erkannte, dass mein mangelndes Wissen und Erfahrung nicht nur mich, sondern das ganze Team und das Projekt gefährdeten. Dies war ein klassischer Fall des Dunning-Kruger-Effekts: Ich hatte nicht erkannt, was ich nicht wusste, und das hatte fast zu einem Desaster geführt.
Diese Erfahrung lehrte mich die Bedeutung von Demut und kontinuierlichem Lernen. Ich begann, mir Rat von erfahreneren Kollegen zu holen, besuchte Fortbildungen und lernte, meine eigenen Fähigkeiten realistischer einzuschätzen. Das Projekt konnte schließlich, wenn auch mit Verzögerungen, erfolgreich abgeschlossen werden.
Die Auseinandersetzung mit dem Dunning-Kruger-Effekt ist daher entscheidend, um Selbstüberschätzung und ihre potenziell verheerenden Auswirkungen in der Arbeitswelt und darüber hinaus zu vermeiden. Sie fördert Selbstreflexion, Demut und das Streben nach lebenslangem Lernen – Schlüsselkompetenzen in jeder professionellen und persönlichen Entwicklung.
Und jetzt?
Mit dem Wissen um den Dunning-Kruger-Effekt in der Hinterhand können Sie heute bereits beginnen, Ihre Perspektive zu verändern und Ihr Handeln anzupassen. Starten Sie mit einer ehrlichen Selbstreflexion über Bereiche, in denen Sie möglicherweise zu selbstsicher auftreten. Fragen Sie sich, ob es Wissenslücken gibt, die Sie bisher übersehen haben.
Öffnen Sie sich für Feedback von Kollegen, Freunden oder Experten und nehmen Sie deren Ratschläge ernst. Erkennen Sie den Wert von Erfahrung und tiefgehendem Wissen an und nutzen Sie jede Gelegenheit, um dazuzulernen. Vielleicht möchten Sie ein neues Thema erforschen oder sich in einem Bereich weiterbilden, in dem Sie bisher nur oberflächliche Kenntnisse haben.
Indem Sie sich bewusst sind, dass niemand alles wissen kann, und indem Sie aktiv nach Wissen und Verbesserung streben, können Sie den heutigen Tag nutzen, um sowohl in Ihrer persönlichen als auch in Ihrer beruflichen Entwicklung einen Schritt voranzukommen.
Unterm Strich
Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt die kognitive Verzerrung, bei der Menschen mit begrenztem Wissen oder Fähigkeiten dazu neigen, ihre Kompetenzen zu überschätzen, während Experten ihre Fähigkeiten oft unterschätzen, da sie sich der Komplexität ihres Fachgebiets bewusster sind.
Checkliste: Berücksichtigung des Dunning-Kruger-Effekts bei alltäglichen Entscheidungen
Selbstreflexion: Frage dich, ob du genügend über das Thema weißt. Bist du vielleicht zu selbstsicher?
Informationssammlung: Suche aktiv nach Informationen, um Wissenslücken zu schließen.
Feedback einholen: Frage andere um ihre Meinung, besonders diejenigen mit Erfahrung oder Expertise in dem relevanten Bereich.
Bewusstsein für Grenzen: Erkenne an, dass du nicht alles wissen kannst, und sei offen dafür, deine Ansichten zu ändern.
Risikobewertung: Überlege, welche Konsequenzen eine Fehleinschätzung deinerseits haben könnte.
Entscheidungsdokumentation: Halte deine Gedankengänge fest, um sie später reflektieren zu können.
Bereitschaft zur Anpassung: Sei bereit, deine Entscheidung anzupassen, wenn neue Informationen oder Feedback dies nahelegen.
Langfristiges Lernen: Nutze jede Entscheidung als Gelegenheit, um dazuzulernen und deine Fähigkeiten zur Einschätzung zu verbessern.
Diese Checkliste dient dazu, Ihre Entscheidungsfindung zu verbessern, indem sie Selbstüberschätzung und mögliche kognitive Verzerrungen durch den Dunning-Kruger-Effekt minimiert, was zu durchdachteren, informierten und letztlich effektiven Entscheidungen führt.
Chief Behavioral Officer gesucht
Wo werden täglich Managemententscheidungen getroffen, die immer noch vom logisch handelnden Menschen ausgehen? Wo können Sie diese Woche selbst ein Chief Behavioral Officer sein?
Wir sehen uns kommenden Dienstag.
Wenn Sie uns Tipps oder Feedback senden möchten, dann schicken Sie uns eine E-Mail an redaktion@cbo.news. Vielen Dank.Wir haben auch ein Buchprojekt!
Wir schreiben ein Buch 🤯
Zugegeben, es ist eine Nische. Eine Nische, die eine effektive Rolle im Rahmen der praktisch umgesetzten Verhaltenspsychologie einnimmt. Interessiert? Dann geben Sie uns gerne hier auch ein Signal und tragen Sie sich auf der Warteliste ein.