Die verborgene Psychologie von Gewinn und Verlust
Warum wir Gewinne und Verluste ungleich bewerten
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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational zu sein als auch falsch zu liegen." Unser Werkzeug eines Chief Behavioral Officers heute:
Die Macht der Prospect Theory
Ich stehe vor einem Straßenkünstler, der ein interessantes Spiel anbietet. "Wähle weise, und du könntest heute reicher nach Hause gehen", sagt er mit einem Grinsen. Er hält zwei Umschläge hoch: "Einer enthält garantiert 50 Euro, der andere könnte 100 Euro enthalten oder leer sein. Was wählst du?"
Ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt. Die sicheren 50 Euro klingen verlockend, also nehme ich den Umschlag und öffne ihn. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, als ich die 50-Euro-Note sehe.
"Jetzt drehen wir den Spieß um", sagt der Straßenkünstler. "Entweder du gibst mir jetzt 50 Euro zurück, oder wir werfen die Münze. Wenn sie auf Kopf landet, gibst du mir 100 Euro. Wenn sie auf Zahl landet, behältst du alles."
Plötzlich fühle ich mich mutiger. Die Vorstellung, nichts zu verlieren, klingt jetzt viel attraktiver. "Werfen wir die Münze", sage ich.
Wie funktioniert das? Science, baby!
Die meisten Menschen wählen die sicheren 50 Euro. Aber wenn es um einen garantierten Verlust von 50 Euro oder die 50-50-Chance auf einen Verlust von 100 Euro oder keinen Verlust geht, wählen die meisten das Risiko. Das ist die Prospect Theory in Aktion.
Was Sie gerade erlebt haben, ist ein klassisches Beispiel für die Prospect Theory, entwickelt von den Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky. Diese Theorie erklärt, warum Menschen dazu neigen, Risiken zu vermeiden, wenn es um Gewinne geht, aber risikofreudiger werden, wenn es um Verluste geht. In der Geschichte war ich eher bereit, das sichere Geld zu nehmen, aber als es um einen potenziellen Verlust ging, wurde ich plötzlich mutiger. Dieses Verhalten zeigt die menschliche Verlustaversion und wie sie unsere Entscheidungsfindung beeinflusst.
Während die Prospect Theory ein breiteres Spektrum an Entscheidungsverhalten abdeckt, ist die Loss Aversion (die ebenfalls bereits in einem unserer CBO Nuggets Thema war) ein spezifischer Aspekt davon. Sie ist der psychologische Mechanismus, der erklärt, warum wir in Situationen, in denen ein Verlust droht, eher risikofreudig werden, um diesen Verlust zu vermeiden.
In einfachen Worten: Die Prospect Theory zeigt uns das "Warum" hinter unserem Entscheidungsverhalten, und Loss Aversion ist das "Wie", das dieses Verhalten antreibt.
Warum das wichtig ist
Stellen Sie sich vor, Sie sind Sarah, eine junge Führungskraft in einem Start-up. Sie stehen vor einer schwierigen Entscheidung: Sollten Sie in ein riskantes, aber potenziell lukratives Projekt investieren oder sich für eine sicherere, aber weniger gewinnbringende Option entscheiden? Ihr Bauchgefühl sagt Ihnen, das Risiko zu vermeiden, aber dann erinnern Sie sich an die Prospect Theory. Sie erkennen, dass Ihre Verlustaversion Sie beeinflusst.
Sie nehmen sich einen Moment Zeit und denken über die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinter der Prospect Theory nach. Plötzlich wird Ihnen klar, dass Ihre Angst vor dem Verlust Sie davon abhält, eine objektive Entscheidung zu treffen. Sie entscheiden sich, das Risiko einzugehen, aber mit einer gut durchdachten Strategie, um potenzielle Verluste zu minimieren.
Einige Monate später zeigt sich, dass das Projekt ein Erfolg ist. Nicht nur das, Ihr Team ist begeistert von der mutigen Entscheidung und dem innovativen Ansatz. Sie realisieren, dass Ihr Verständnis der Prospect Theory nicht nur zu einem finanziellen Gewinn geführt hat, sondern auch zur Entwicklung einer risikobewussten Kultur in Ihrem Unternehmen.
Und dann gibt es noch Ihren Freund Tim, der sich kürzlich selbstständig gemacht hat. Er kämpft mit seinen Finanzen und ist nervös, wenn es um Investitionen geht. Sie teilen Ihre Erkenntnisse über die Prospect Theory mit ihm, und er beginnt, seine finanziellen Entscheidungen neu zu bewerten.
Sie erkennen, dass die Prospect Theory nicht nur eine wissenschaftliche Theorie, sondern ein Werkzeug für das echte Leben ist, das hilft, bessere Entscheidungen zu treffen, sei es im Beruf, in der Finanzplanung oder im persönlichen Leben.
Und jetzt?
Jetzt, da Sie die Kraft der Prospect Theory und der Verlustaversion verstanden haben, können Sie dieses Wissen in Ihren Alltag integrieren. Beginnen Sie damit, Ihre Entscheidungen heute kritisch zu hinterfragen. Stehen Sie vor einer Wahl, bei der Sie eher das Risiko meiden? Fragen Sie sich, ob die Verlustaversion eine Rolle spielt und ob eine risikoreichere Option tatsächlich die bessere Wahl sein könnte.
Wenn Sie heute in einem Meeting sind und eine wichtige Entscheidung ansteht, nutzen Sie die Gelegenheit. Vielleicht können Sie genau hier ein bewussteres Entscheidungsverhalten fördern.
Und schließlich, nehmen Sie sich heute Abend ein paar Minuten Zeit, um Ihre persönlichen oder finanziellen Ziele zu überdenken. Gibt es Bereiche, in denen die Verlustaversion Sie zurückhält? Mit dem Wissen um die Prospect Theory können Sie Strategien entwickeln, um diese mentalen Barrieren zu überwinden.
Indem Sie diese Schritte heute in Angriff nehmen, setzen Sie die Theorie in die Praxis um und machen den ersten Schritt zu einer bewussteren und effektiveren Entscheidungsfindung.
Unterm Strich
Im Falle einer anstehenden Entscheidung beachten Sie Folgendes:
Frage nach der Verlustaversion: Bevor Sie eine Entscheidung treffen, fragen Sie sich, ob die Angst vor einem Verlust Sie von einer potenziell besseren Option abhält.
Bewerte Gewinne und Verluste: Versuchen Sie, die potenziellen Gewinne und Verluste objektiv zu bewerten, anstatt sich von emotionalen Reaktionen leiten zu lassen.
Diese Checkliste kann Ihnen helfen, die Einflüsse der Prospect Theory in Ihrem Entscheidungsprozess zu erkennen und bewusstere Entscheidungen zu treffen.
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