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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational als auch falsch zu sein."
(Self-)Confirmation Bias
Es ist erstaunlich, wie hartnäckig andere Leute nicht einsehen, dass ich recht habe. Dabei ist doch offensichtlich: Alle guten Argumente sprechen für sich. Also mich. Und wieso unterstützen nicht alle das neue Projekt? Und das Produkt ist genial - nur die Kunden sind einfach zu doof, das zu verstehen. Also manchmal ist es schon erstaunlich wie uneinsichtig alle anderen sind.
Um was es geht
Menschen suchen nach Bestätigung ihrer Position. Das führt dazu, dass (auch) Sie eher solche Informationen suchen, benutzen und stark gewichten, die Ihre bestehende Meinung bestätigt. Wenn wir also eine Entscheidung treffen sollen, etwas bewerten oder uns eine Meinung bilden, dann sind wir bei allen Schritten dabei nicht ganz objektiv.
Sie wollen Beispiele?
Polizeiverhöre: wenn von Schuldigkeit ausgegangen wird, kommt es zu mehr Geständnissen. Die extremen Folgen sind hier von John Oliver in seiner Show schön erklärt.
Bei der Personal-Auswahl beeinflussen Vorurteile die Fragen, die gestellt werden, wie Antworten gewichtet werden und entsprechend den Verlauf des Gesprächs. Man erschafft sich die Ergebnisse, die man erwartet hat, ignoriert Warnsignale und überschätzt z.B. Gemeinsamkeiten. So verpasst man auch die enormen Chancen von Diversität. (Eine ganze Reihe von BIAS in der Personalauswahl und der Nutzen von Diversität dabei ist hier bei FORBES dargestellt.)
Publication bias: Gerade, wenn bei der Forschung nicht das Erwartete rauskommt, sieht man lieber von der Veröffentlichung ab. Dieses „Nicht-Veröffentlichen“ lässt sich im Meta-Studien über Merkmale der veröffentlichten Studien zu einem Thema abschätzen. Wenn die Ergebnisse seltsam durchwachsen und weniger extrem sind, kann ein Effekt, den jeder kennt, am Ende sogar ganz verschwinden. (Neulich erst wurde so der Effekt von Nudging in einer Meta-Studie kritisch beäugt).
Warum das wichtig ist
Für gute Entscheidungen sollten wir unserer Parteilichkeit bewusst sein. Nicht nur bei Entscheidungen selbst, sondern beim ganzen Prozess davor und danach. Andernfalls ignorieren wir wichtige Signale aus der Umwelt und bleiben blind für das, was gerade passiert.
Hilfreiche Tricks dafür:
Devil's advocate: ob bei Produktideen, Projekten jedweder Art oder schlicht in Meetings gibt es eine Rolle, die hilft diesen Bias zu verhindern. Es ist die Aufgabe oder Rolle des „Devil’s Advocate“ bewusst Gegenargumente zu finden, die Sache infrage zu stellen, abzuklopfen, was fehlt und was schiefgehen kann. Diese Prüfung durch die bewusste Gegenposition ist manchmal schwer auszuhalten, erhöht gleichzeitig aber die Qualität von Entscheidungen und Produkten enorm. Dadurch, dass es als Aufgabe / Rolle definiert ist, kann sie zudem jeder im Team einnehmen - so verhindert man auch, dass einzelne als das "Arschloch" im Team abgewertet werden und die Person bekommt die Wertschätzung, die die Aufgabe verdient.
Kill your Darlings: In der Kreativbranche gilt die Regel „Kill your Darlings“. Damit ist nicht gemeint, seine Liebsten von der Klippe zu stoßen: aber seine liebsten Ideen. Und das fühlt sich fast genauso an. Gerade die eine besonders geniale Idee, die man insbesondere zu Beginn hat oder in die man schon viel Zeit und Nerven investiert hat, ist die Idee, bei der man besonders kritisch prüfen muss, ob sie gut ist und ins Gesamtwerk passt. Warum? Durch Herzblut und Confirmation Bias überschätzen wir die Qualität. Durch die Regel genau diese Idee nicht zu nehmen, wird der Raum frei andere Ideen objektiver zu bewerten und insgesamt bessere, kreative Lösungen zu finden.
Demand characteristics: Sie kennen vermutlich Fragen in der Art: „Auf einer Skala von 1 wie ‚supergut‘ bis 5 ‚genialperfekt‘ - wie mega hat ihnen dieses Produkt gefallen?“. Demand characterists, also Hinweise, wie eine Frage beantwortet werden soll, in der Frage zu verstecken ist ein häufiger Fehler bei Befragungen. Prüfen Sie die Neutralität und Ergebnisoffenheit von dem, was sie erheben. Und trauen Sie manchmal auch den Statistiken, die Sie nicht selbst gefälscht haben.
Unterm Strich
Natürlich haben Sie gerne recht. Jeder hat gerne recht. Und wir alle erliegen der Versuchung, uns selbst zu bestätigen. Das gilt auch für Kolleg:innen, Chefs und Kund:innen.
Wenn ein Projekt eher verhalten angegangen wird: vielleicht ist es dann gar nicht so gut, wie Sie meinen. Und das Produkt ohne Kunden - egal wie lieb wir es haben - ist doch vergebene Liebesmüh. Manchmal ist es schon erstaunlich, wie viel Einsicht wir gewinnen, wenn wir offen dafür sind, dass wir auch falsch liegen könnten.
Denn es ist doch offensichtlich: Alle guten Argumente sprechen für sich. Also auch für andere und vielleicht - ganz selten - auch mal gegen mich.
Chief Behavioral Officer gesucht
Was sind Ihre Lieblingsprojekte? Und wovon sind sie zu 100 % überzeugt? Und ihr Team, die Managementebene, die Kund:innen? Gibt es vielleicht auch andere Meinungen, Positionen und Optionen? Wie könnten Sie herausfinden, ob Sie Unrecht haben?
Wir sehen uns kommenden Dienstag.
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