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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: Es ist durchaus möglich, sowohl rational als auch falsch zu sein.“
Der Streisand-Effekt
Barbara Streisand hat ein Haus am Meer, das einmal zufällig mit fotografiert wurde, als die Küstenerosion anhand tausender von Fotos dokumentiert wurde. Das hatte kaum jemand mitbekommen, aber die Streisand schon. Sie prozessierte gegen die Veröffentlichung des Fotos und brachte damit das Thema sowie das Foto in die Schlagzeilen.
Effekt: Jetzt wissen es alle.
Knaller Effekt: Diese Geschichte ist so typisch und bezeichnend, dass diese Art der Steilvorlage für gründlichste öffentliche Blamage nach der armen Frau benannt wurde.
Poor Barbara, I feel you! Und ich gieße auch noch Öl ins Feuer und halte es viral. Shame on me!
Die Story ist der Knaller, weil sie so menschlich ist.
Ein weiteres Beispiel:
Veröffentlichung eines Widerrufs in der Zeitung nach gerichtlicher Aufforderung, eine Behauptung öffentlich zurückzunehmen, die nur wenige auf einer privaten Party gehört hatten:
„Hiermit nehme ich zurück, dass Sabine Mustermann eine versoffene saudumme Schlampe sei, die sich immer an fremde Männer ran macht und die alle Beziehungen im Freundeskreis crasht. Es stimmt nicht, dass sie auf absolut jeder Party mit einem anderen rummacht. Sie kommt auch nicht jedes Mal bereits stark angetrunken zu den Partys. Weiters nehme ich zurück, dass sie geschmacklos, diskriminierend und rassistisch sei.“
Effekt: Jetzt wissen es alle.
Um was es geht
Das als Streisand-Effekt bezeichnete soziologische Phänomen, kann man mit der Metapher „Öl ins PR-Feuer gießen“ beschreiben.
Bei dem Versuch, eine Information und ihre Verbreitung zu unterdrücken, wird das Gegenteil bewirkt, indem erst durch diesen Versuch eine breite Öffentlichkeit auf die Information aufmerksam wird.
Warum das wichtig ist
Drohendes PR-Desaster
Sind Sie oder ihre Firma schon einmal mit Anlauf in ein Fettnäpfchen gesprungen, dass es nur so gespritzt hat? Hatten Sie schon einmal eine vernichtende und unfaire Kritik auf Social Media? Hat schon einmal jemand durch gezielte Auslassung eine Wahrheit über Sie total verdreht, ohne nachweislich in Einzelheiten zu lügen? Gibt es etwas, dass Sie lieber für sich behalten würden?
Fürchten Sie sich vor Shitstorms?
Dann denken Sie an den Streisand-Effekt!
Je aufgeregter Sie sich verhalten, desto spannender wird die Story.
Je genialer, pointierter und würziger formuliert ihre Antwort ausfällt, desto unterhaltsamer wird die Sache für das Publikum.
Je spannender und unterhaltsamer die Story wird, desto eher geht sie viral.
Schlagabtausch mit Popcorn Qualität.
Wenn Sie Pech haben, schreiben wildfremde Leute sogar ganze Newsletter über ihr Geheimnis und lachen sich scheckig.
Ihre Aufgabe als PR-Doktor und CBO besteht in solchen Fällen darin, die Story der öffentlichen Diskussion für das Publikum auf Social Media und in den klassischen Medien so langweilig wie möglich zu gestalten.
Erwartet das Publikum auf diese Veröffentlichung wirklich eine Antwort, oder war das nur ein haltloser Angriff, ein Hasskommentar oder Schmähgedicht ohne konkreten sachlichen Bezug? Erregt der Akt des Ignorierens mehr Aufmerksamkeit als eine Richtigstellung, eine Unterlassungsklage oder ein Eingeständnis?
Wenn das Ignorieren des Angriffs bei Ihrem Publikum Empörung auslösen würde, weil der Eindruck entstanden ist, es gäbe ein öffentliches Interesse an einem behaupteten Sachverhalt, sollten Sie Stellung nehmen.
Machen Sie sich bewusst, was eine gute spannende und unterhaltsame Story ausmacht, und verzichten Sie darauf!
Verzichten Sie darauf, in bunten Farben auszumalen, was Sie zu sagen haben.
Verwenden Sie keine einprägsamen, starken und kreativen Metaphern.
Erwecken oder fördern Sie nicht den Eindruck, es gäbe etwas Neues zu erfahren.
Stellen Sie den zur Diskussion stehenden Sachverhalt nicht als ungewöhnlich dar.
Stellen Sie den Angriff auf Ihre Person oder Firma, das entstandene Informationsleck nicht als besonders bemerkenswert dar.
Zügeln Sie ihre Aufregung.
Stellen Sie sich nicht als Opfer dar.
Wecken Sie keine Emotionen.
Vermeiden Sie den Eindruck, man könnte aus dieser Geschichte irgendetwas lernen.
Verwenden Sie keine Überschriften, die neugierig machen.
Glänzen Sie nicht durch besonders elegante Wortwahl.
Seien Sie nicht geistreich.
Überraschen Sie nicht.
Geben Sie möglichst wenig Anlass für Assoziationen und stellen Sie keine Vergleiche und Verknüpfungen her.
Antworten Sie höflich, sachlich, wertschätzend und ohne Raffinesse.
Wenn Sie einen Fehler gemacht haben, geben Sie ihn zu und erzählen Sie in ruhigem Ton davon, was Sie daraus gelernt haben, und wie Sie solche Dinge in Zukunft vermieden werden. Damit führen Sie die Geschichte zu einem akzeptablen Happy End, dem der Gegner nichts mehr hinzufügen kann und das Publikum kann mit der Sache abschließen.
Werden Sie bösartig einfarbig beleuchtet, sorgen Sie an anderer Stelle dafür, dass die übrigen Farben ihres Spektrums ebenfalls gesehen werden, aber veranstalten Sie kein Getöse, indem Sie die bunte Lampe kaputt schlagen. Ignorieren Sie sie. Überstrahlen Sie sie. Sorgen Sie für spannende, unterhaltsame und sympathische Geschichten, bei denen das Publikum aus ganz anderen Perspektiven erlebt, wie Sie wirklich sind.
Unterm Strich
Erweitern Sie das System!
Die Story ist nicht nur die Geschichte, die (angeblich) passiert ist, und die zeigt, wie Sie (angeblich) sind, das Ereignis, worüber geredet wird. Die Story umfasst alles, was darum herum erfahrbar wird, also auch, wie und wo und wie oft darüber geredet wird und sämtliche Unterbindungsversuche. Je spektakulärer der Unterbindungsversuch, desto interessanter ist die ganze Aktion für das Publikum.
Vermeiden Sie alles, was dazu führt, dass man sich die Story merken kann.
Man merkt sich eine Story, wenn sie interessant ist. Das heißt, wenn sie neu und ungewöhnlich ist. Wenn sie einen selbst betrifft, oder man sich leicht in die Person hineinversetzen kann, die es betrifft. Wenn man starke Emotionen dabei hat. Wenn die Geschichte einen spannenden Konflikt unter kampfbereiten Kontrahenten und viel Aktion beinhaltet und wenn man sich das Geschehen mit vielen Sinnen vorstellen kann. Eine Geschichte ist bemerkenswert, wenn man etwas daraus lernen kann, zum Beispiel, wie man geistreich argumentiert und wenn die Geschichte häufig erzählt wird, oder wir oft an sie denken.
Die Geschichte beschäftigt uns immer weiter, wenn die Sache noch nicht abgeschlossen ist und man noch auf das Ende wartet. Wir schließen die Geschichte beruhigt in unseren Köpfen ab, wenn das Ende die Frage beantwortet hat: Wer ist der Protagonist wirklich und hat ihn sein Abenteuer zu einem besseren Menschen gemacht, hat er etwas gelernt?
Chief Behavioral Officer gesucht
Wie steuern Sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit?
Welche ihrer Geschichten beinhalten die Fakten, an die man sich erinnern soll? Wie fördern Sie das Wachstum und die Verbreitung dieser guten Geschichten?
Wie vermeiden Sie es, die falschen Geschichten zu fördern?
Wir sehen uns kommenden Dienstag.
Wenn Sie uns Tipps oder Feedback senden möchten, dann schicken Sie uns eine E-Mail an redaktion@cbo.news. Vielen Dank.