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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational als auch falsch zu sein."
Hallo Halo-Effekt
In dem Film "Der große Gatsby" wird die Hauptfigur Jay Gatsby als reicher und geheimnisvoller Mann dargestellt, der nicht nur verschwenderische Partys schmeißt sondern auch selbst das Leben auf der Party ist. Im weiteren Verlauf der Geschichte erfahren wir, dass Gatsby eine dunkle Vergangenheit hat und in illegale Aktivitäten verwickelt ist.
Trotz dieser Enthüllung behalten viele der Figuren im Film (und vielleicht auch der ein oder andere Zuschauer) weiterhin ihren positiven Gesamteindruck von Gatsby. Sein Reichtum und sein Charisma strahlen über seine kriminellen Aktivitäten hinweg. Und klingt das nicht irgendwie irrational?
Um was es geht
Haben Sie schon einmal vom Halo-Effekt gehört? Es kommt vom Englischen “Halo”, was soviel wie “Heiligenschein” bedeutet. Dabei handelt es sich um eine kognitive Verzerrung, die unser Urteilsvermögen erheblich beeinflussen kann.
Der Halo-Effekt tritt auf, wenn wir aufgrund einer Eigenschaft auf andere Aspekte einer Person oder Sache Rückschlüsse ziehen. Wenn wir zum Beispiel jemanden treffen, der unglaublich charmant und sympathisch ist, nehmen wir automatisch an, dass er auch intelligent, kompetent und vertrauenswürdig ist. Trägt jemand beim ersten Treffen Jogginghose, gehen wir wohl davon aus, dass er die Kontrolle über seiner Leben verloren hat.
Das kann dazu führen, dass wir Urteile auf der Grundlage unvollständiger oder sogar irrelevanter Informationen fällen. Sehen wir zum Beispiel beim Weinkauf ein edles Etikett mit hohem Preis, schließen wir auch indirekt darauf, dass der Wein vorzüglich mundet. Dabei wissen wir erstmal nichts über den Geschmack. Trägt jemand einen Medizinerkittel oder Doktortitel unterstellen wir auch automatisch Fachkompetenz in Gesundheitsfragen: Ein Trick, den manchen Drogerien nutzen.
Der Halo-Effekt kann auch unsere Wahrnehmung von Produkten und Marken beeinflussen. Wenn wir mit einem Produkt einer bestimmten Marke gute Erfahrungen gemacht haben, gehen wir tendenziell davon aus, dass alle ihre Produkte hochwertig und zuverlässig sind.
Warum das wichtig ist
Die (Über-)Strahlkraft einzelner Aspekte beeinflusst unsere Urteile. Wenn wir uns dieser Voreingenommenheit bewusst sind, fällt auch auf, wo sie uns überall begegnet.
In Marketing und Produktdesign können Sie den Effekt nutzen, in dem Sie zum Beispiel eine qualitativ hochwertige Verpackung herstellen oder der Fokus auf einen besonders positiven Aspekt (bester Preis, beste Bewertung, beste Leistung) in den Fokus rücken. Auch auf Prominente zurückzugreifen ist ein altbekannter Trick, der deren „Heiligenschein“ nutzt. Das jemand Bekanntes das Produkt unterstützt, reicht manchmal schon als Kaufargument aus.
Und wir können sie überwinden: Das geht zum Beispiel, indem man sich die beobachtbaren Aspekte einer Sache oder Person klarmacht und vor allem für die Entscheidung relevante Informationen einholt, bevor man eine Entscheidung trifft.
In der Personalauswahl sind daher klare Kriterien und professionelle Prozesse höchst relevant.
Stellen Sie sich vor, Sie sind Personalleiter:in in einem Technologieunternehmen und führen gerade Vorstellungsgespräche mit Bewerbern für eine Stelle als leitender Ingenieur. Aufgrund eines namhaften Unternehmens im Lebenslauf einer Bewerberin haben Sie einen positiven Eindruck von ihr.
Im Vorstellungsgesprächs beantwortet Sie Ihre Fragen mit beeindruckendem Fachwissen und zeigt ihre Kompetenz kreativ Probleme zu lösen. Am Ende des Gesprächs haben Sie ein gutes Gefühl und eine sympathische neue Bekanntschaft.
Nur: Was sind die Kernkompetenzen, die ein leitender Ingenieur zeigen muss? Sie kennen den Halo-Effekt: Daher prüfen Sie die Referenzen und fragen nach, wie sie in ihrer letzten Organisation kommuniziert hat und ob sie auch strategische Entscheidungen treffen und vertreten kann.
Denn von der „strahlenden“ Fachkompetenz lässt sich nicht ohne weiteres auf Sozialkompetenz und Managementfertigkeiten schließen.
Unterm Strich
Wenn Sie sich des Halo-Effekts bewusst sind, werden Sie Urteile breiter fundieren und mit klaren Kriterien begründen.
Fragen Sie sich einfach das nächste Mal, wenn Sie einen positiven Gesamteindruck von einer Person oder einer Sache haben, welche Merkmale Sie eigentlich dazu gebracht haben? Treten Sie einen Schritt zurück und erkunden Sie neugierig die Aspekte, die Sie bisher außer Acht gelassen haben.
Und vielleicht ist eine Party bei Gatsby auch eine wirklich gute Party: nur kein guter Grund, um mit ihm Geschäfte zu machen.
Chief Behavioral Officer gesucht
Wo werden täglich Managemententscheidungen getroffen, die immer noch vom logisch handelnden Menschen ausgehen? Wo können Sie diese Woche selbst ein Chief Behavioral Officer sein?
Wir sehen uns kommenden Dienstag.
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