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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational als auch falsch zu sein."
Unsere kognitiven Verzerrungen sorgen dafür, dass wir unsere eigene Gruppe bevorzugen (Ingroup Effekt), dass wir keine Veränderung wollen und dass wir höher schätzen, was wir kennen (Mere Exposer Effect) und was wir haben (Endorsement Effekt).
Andererseits wollen wir Inzest freie Reproduktion. Mit einem fremden Menschen aus einem anderen Clan zusammen Kinder haben. Ein lebensveränderndes, gefährliches Abenteuer!
Das kann niemand wollen. Das ist Wahnsinn.
Um was es geht
Um dieses Abenteuer bestehen zu wollen, brauchen wir in der ersten Phase der Verliebtheit viel Mut und Kraft, einen festen Willen, unbedingten Fokus, eine erfolgreiche Realitätsverweigerung, was die Schwächen des fremden Menschen angeht und alle Unterstützung, die unser Körper aufbringen kann, weil noch keine echte Vertrautheit und kein wirkliches Verständnis gewachsen ist, wie in einer reifen Beziehung.
Wir brauchen dringend eine ordentliche Portion Wahnsinn, um uns inzestfrei fortpflanzen zu können, deshalb bekommen wir ihn.
Wir erleben die massive Überflutung unseres gesamten Organismus mit einem Chemiecocktail, der wuschig macht, oder wie Eckhard von Hirschhausen sagt, „eine vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit“ auslöst.
Der Cocktail
Der Neurotransmitter Dopamin und die Hormone Vasopressin und Oxytocin werden bei Verliebten vermehrt ausgeschüttet.
Beim Anblick eines geliebten Menschen ist das Belohnungssystem besonders aktiv. Der Neurotransmitter Dopamin wird mit Motivation und Antrieb in Verbindung gebracht und sorgt zusätzlich dafür, dass sich Menschen Fremden gegenüber mehr öffnen als sonst. Er lässt uns Erfüllung und Befriedigung erleben und wird mit Euphorie und ebenso mit Suchterkrankungen assoziiert.
Areale, die für Angst oder kritische Bewertungen zuständig sind, weisen dagegen eine verminderte Aktivität auf.
Das "Verliebtheitshormon" Phenylethylamin löst erotisches Interesse aus.
Oxytocin wird bei zärtlicher Berührung der Geschlechtsorgane, bei der Geburt, beim Stillen und auch beim Anschauen von Katzenvideos ausgeschüttet. Wesen, die dem Kindchenschema entsprechen, lassen uns Oxytocin bedingt das Herz aufgehen. Unter Oxytocin Einfluss stehende Verhandlungspartner sind weniger misstrauisch.
Adrenalin erhöht den Puls und versetzt uns in Alarmbereitschaft, wie bei einer Panikreaktion. Die Pupillen weiten sich, der Atem geht schneller.
Der Testosteronspiegel des Mannes sinkt, was ihn weniger aggressiv macht und die Frau erhöht ihren Testosteronspiegel und hat dadurch mehr Lust auf Sex.
Serotonin wird ebenfalls mit Glücksgefühlen und Sucht in Verbindung gebracht. Sein Spiegel sinkt während der ersten Verliebtheitsphase wie bei Drogensüchtigen. Das mag die schlimmen Entzugserscheinungen von Verliebten erklären, die es kaum aushalten können, ein paar Stunden getrennt zu sein.
Warum das wichtig ist
Ungefähr ein Jahr lang halten die Frisch-Verliebt Hormone.
Der Signalstoff Neurotrophin, der bei der Gedächtnisbildung eine entscheidende Rolle spielt, ist für die Kommunikation und Verbindung zwischen den Nervenzellen verantwortlich. Frisch Verliebte haben einen deutlich höheren Spiegel dieses „Nervennährstoffes“. Er sorgt dafür, dass wir besser mit der neuen Lebenssituation und dem Partner zurechtkommen.
Wenn sich nach einem Jahr der temporäre Wahnsinn gelegt hat, die rosa Brillen abgenommen wurden und sich die Schmetterlinge im Bauch beruhigt haben, erkennen wir (hoffentlich) einander. Wir kennen unsere Bedürfnisse, Wünsche, Sehnsüchte und Ängste, unsere Unzulänglichkeiten und Bewältigungsstrategien. Wir sind miteinander vertraut.
Wir können nun die chemische Keule, den selbst gebrauten Liebestrank absetzen und zu einer reifen, partnerschaftlichen Liebe finden, in der die Vernunft wieder eine Chance hat.
War die Fortpflanzung erfolgreich, dann sorgt jetzt das gemeinsame Kind für Kuschelharmonie, indem es dafür sorgt, dass beide Eltern reichlich Oxytocin ausschütten.
Ist das alles?
Spulen wir lediglich DNA-codierte Programme ab, um diese DNA in die nächste Generation zu bringen?
Nein. Liebe und Verbundenheit sind die schönsten und erhabensten Gefühle und Motive, zu denen wir fähig sind. Die Tatsache, dass unser Körper uns derart intensiv und vielfältig dabei unterstützt, mindert nicht im Geringsten ihren Zauber, im Gegenteil.
Es ist alles wunderbar zusammen gefügt und wir dürfen auf uns vertrauen. Auf Millionen Jahre Evolution von Körper, Geist und Seele.
Eine meiner Lieblingsgeschichten über die Entstehung der Liebe stammt von Plato. In seinem Symposion lässt er Aristophanes die Geschichte erzählen. https://de.wikipedia.org/wiki/Kugelmenschen
Ultrakurzfassung:
Früher waren die Menschen rund, hatten vier Arme, vier Beine, zwei Gesichter.
Das machte sie sehr stark, schlau und schnell. Sie wurden übermütig und verspotteten die Götter, die daraufhin beschlossen, das undankbare Gewürm zu vernichten. Allerdings hätten sie dann niemanden mehr gehabt, der sie anbetet, weshalb man sich zu einem Kompromiss entschloss und alle Menschen mit dem magischen Blitz in zwei Teile schnitt.
Seitdem spüren wir diese tiefe Sehnsucht nach Verbundenheit mit unserem anderen Teil.
Leicht abgewandelt als Musicalsong The Origin of Love nachzuhören: Video:
Text: https://www.letras.com/hedwig-and-the-angry-inch/17785/
Eine ganz besonders schöne philosophische Geschichte über Verbundenheit und den Sinn des Lebens erzählt dieses Video: Das Ei
Valentin
Valentin wurde enthauptet, weil er trotz Verbot Soldaten christlich verheiratet hatte.
Der 14. Februar fällt in die Zeit uralter Frühlings- und Fruchtbarkeitsfeste.
Mit romantischer Liebe und Verliebtheit wurde der Heilige erst recht spät in Verbindung gebracht.
Bräuche vermischen sich.
Mancherorts wurden zu Valentin die jungen Mädchen, die mit ihrer ersten Menstruation erwachsen geworden waren, gefeiert.
Sie glaubten, dass sie den ersten Mann heiraten würden, den sie am Valentinstag sähen, was zu skurrilen Herrenaufläufen vor dem Haus der Dorfschönheiten geführt haben dürfte.
Der Brauch, besonders wertgeschätzten Menschen ein kleines Valentinsgeschenk zu geben, ist nicht von Blumenhändlern erfunden worden, wie häufig angenommen.
Allerdings haben sie durch ihre intensive Werbung sehr dazu beigetragen, dass sich der Brauch verbreitete.
Schenken Sie etwas zu Valentin?
Unerwartet sind Geschenke besonders schön. (Hook Modell, unreliable revard)
Haben Sie an eine kleine Aufmerksamkeit für Ihre Mitarbeiter gedacht?
Unser Redaktionskollege Amadeus hat hier über psychologische und interkulturelle Aspekte von Geschenken geschrieben. https://cbonugget.substack.com/p/wozu-geschenke
Wen können Sie außerdem noch erfreuen?
Wem sind sie dankbar?
Achtung Belohnungsfalle! Passen Sie auf, dass Ihr Geschenk nicht als Belohnung für erwünschtes Handeln verstanden wird.
Warum das nach hinten losgeht, hat auch Redaktionskollege Roman bereits erklärt.
Echte Dankbarkeit zu empfinden, ist einer der genialsten Lifehacks, mit denen Sie Ihre Gehirnstruktur verbessern, Ihre Kreativität boosten und vieles mehr.
Unterm Strich
Sowohl das Abgrenzen gegen das Fremde als auch die Sehnsucht nach Vereinigung und Gemeinschaft sind tief in unseren Genen verankert.
Wir können darauf vertrauen, dass unsere Natur uns den Weg zeigt und uns unterstützt.
Gleichzeitig ist es wertvoll, die Mechanismen, die uns antreiben, auch auf dieser Ebene zu verstehen, zum Beispiel um folgenschwere Entscheidungen nicht im Zustand geistiger Umnachtung zu treffen.
Geschenke sind wundervoll, vor Allem, wenn sie unerwartet kommen und nicht als Belohnung für erwünschtes Verhalten verstanden werden.
Liebe ist magisch, heilig und heilsam.
Zu verstehen, was biochemisch dabei abläuft, wenn wir sie erfahren, entzaubert sie nicht. Im Gegenteil!
Platons Geschichte verweist sowohl auf die Gemeinschaft unserer Seelenanteile in uns selbst als auch auf die Gemeinschaft der Mitglieder einer Organisation wie des Staates oder einer Firma.
Wie sehr gelingt es Ihnen selbst, Ihrer Abteilung, Ihrer Firma und Ihrer Branche, sich als Einheit von verschiedenen, teils widersprüchlichen Persönlichkeitsaspekten oder Individuen zu betrachten?
Wie lange hält die Euphorie des Neuen und des Abenteuers bei ihren neuen Mitarbeitern? Nutzen Sie diese Zeit, um eine reife, vertrauensvolle Beziehung zu kultivieren.
Chief Behavioral Officer gesucht
Wo werden täglich Managemententscheidungen getroffen, die immer noch vom logisch handelnden Menschen ausgehen? Wo können Sie diese Woche selbst ein Chief Behavioral Officer sein?
Wir sehen uns kommenden Dienstag.
Wenn Sie uns Tipps oder Feedback senden möchten, dann schicken Sie uns eine E-Mail an redaktion@cbo.news. Vielen Dank.