Von Schafen und Menschen: Die wundersame Welt des Self-Herding
Wenn vergangene Entscheidungen unsere Zukunft bestimmen
Lesezeit ca. 5 Minuten
Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational zu sein als auch falsch zu liegen." Unser Werkzeug eines Chief Behavioral Officers heute:
Der Self-Herding Effekt
“Warum ging der Chief Behavioral Officer nie zum zweiten Mal ins gleiche Restaurant? Weil er vom Self-Herding-Effekt gehört hatte und befürchtete, er könnte aus Versehen eine eigene Tradition begründen!”
Stellen Sie sich vor, Sie betreten ein Café, in dem Sie zuvor noch nie waren. Sie stehen vor der Theke, unsicher, was Sie bestellen sollen, und erinnern sich daran, wie zufrieden Sie letzte Woche in einem anderen Café mit einem bestimmten Getränk waren. Ohne viel darüber nachzudenken, bestellen Sie dasselbe Getränk – ein klassisches Beispiel für den Self-Herding-Effekt. Doch lassen Sie mich Ihnen eine persönlichere Geschichte erzählen.
Es war ein kalter Dienstagmorgen, ähnlich wie heute. Ich stand vor einer Entscheidung, die trivial erscheinen mag, aber für mich in dem Moment von großer Bedeutung war: Welchen neuen Weg sollte ich für meinen morgendlichen Lauf ausprobieren? Ohne es zu merken, fiel meine Wahl auf einen Pfad, den ich vor Jahren einmal genossen hatte. Dieser Moment markierte den Beginn eines Musters, das sich über Monate hinweg wiederholen würde. Ich hatte mich, ohne es zu merken, selbst in eine Schafherde getrieben – metaphorisch gesprochen.
Jeden Morgen, wenn ich vor der Wahl stand, zog mich eine unsichtbare Kraft immer wieder zu diesem Pfad. Ich dachte, es sei die Schönheit der Landschaft oder die perfekte Länge der Strecke. Doch in Wirklichkeit war es der Self-Herding-Effekt: Ich folgte meinen früheren Entscheidungen, ohne aktuelle Alternativen oder Präferenzen zu berücksichtigen.
Wie funktioniert das? Science, baby!
Der Self-Herding-Effekt basiert auf der Tendenz, eigene frühere Entscheidungen als Heuristik für zukünftige Entscheidungen zu verwenden, besonders in Situationen der Unsicherheit. Dieses Phänomen ist eng verwandt mit dem Konzept der kognitiven Verzerrung, insbesondere dem "Anker-Effekt". Wenn wir einmal eine Entscheidung getroffen haben, dient diese als psychologischer Ankerpunkt, der unsere zukünftigen Entscheidungen beeinflusst. Diese Tendenz kann sowohl aus direkten Erfahrungen (z.B. Zufriedenheit mit einem Produkt) als auch aus indirekten Erfahrungen (z.B. soziale Beweise oder Empfehlungen) resultieren.
Warum das wichtig ist?
Der Self-Herding-Effekt offenbart eine subtile, aber tiefgreifende Wahrheit über menschliches Verhalten: Wir sind Geschöpfe der Gewohnheit, die dazu neigen, in die Fußstapfen unserer eigenen Vergangenheit zu treten, selbst wenn es keine logische Begründung für diese Wiederholung gibt. Diese Tendenz, sich von früheren Entscheidungen leiten zu lassen, kann eine bequeme Faustregel sein, birgt jedoch die Gefahr, dass wir in einer Schleife aus Wiederholung ohne Reflexion gefangen sind.
Das tiefe Verständnis des Self-Herding-Effekts ist entscheidend, weil es uns ermöglicht, das Steuerrad unseres Lebens bewusster in die Hand zu nehmen. Es lehrt uns, dass, während Erfahrungen wertvolle Lehrer sein können, sie uns auch in die Irre führen können, indem sie uns dazu verleiten, Pfade zu beschreiten, die nicht länger zu unseren aktuellen Zielen oder den veränderten Umständen unseres Lebens passen.
In einer Welt, die sich ständig verändert und in der Informationen in beispielloser Geschwindigkeit fließen, ist die Fähigkeit, Entscheidungen zu hinterfragen und sie an neuen Erkenntnissen auszurichten, nicht nur eine Frage der persönlichen Entwicklung, sondern eine Überlebensstrategie. Der Self-Herding-Effekt spielt hier eine zentrale Rolle: Er zeigt auf, wie leicht wir von unseren eigenen Entscheidungsmustern gefangen genommen werden können, und bietet einen Einblick in die Mechanismen, die dieses Verhalten antreiben.
Darüber hinaus hat der Self-Herding-Effekt weitreichende Implikationen für Bereiche wie Marketing, Management und persönliche Entwicklung. Im Marketing nutzen Unternehmen beispielsweise oft den Effekt der sozialen Bewährtheit, der eng mit Self-Herding verwandt ist, um Konsumenten zu beeinflussen. Im Management kann ein Verständnis des Self-Herding dabei helfen, bessere Entscheidungsfindungsprozesse zu gestalten, die nicht nur auf vergangenen Erfolgen basieren. Und in der persönlichen Entwicklung bietet das Bewusstsein für diesen Effekt die Chance, aus einem Zyklus der Selbstbeschränkung auszubrechen und ein reichhaltigeres, erfüllteres Leben zu führen.
Sich mit dem Self-Herding-Effekt auseinanderzusetzen, bedeutet letztendlich, sich die Macht zurückzuholen, Entscheidungen zu treffen, die bewusst, informiert und im Einklang mit unseren tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen sind. Es fordert uns auf, über den Tellerrand hinauszuschauen und zu erkennen, dass die Vergangenheit zwar ein Teil von uns ist, aber nicht unser Schicksal bestimmen muss. Indem wir diesen Effekt verstehen und lernen, ihn zu navigieren, können wir ein Leben gestalten, das reicher an Möglichkeiten, Erfahrungen und persönlichem Wachstum ist.
Und jetzt?
Wie können wir also den heutigen Tag angehen, bewaffnet mit dem Wissen um den Self-Herding-Effekt? Beginnen Sie damit, Ihre Entscheidungsprozesse zu hinterfragen. Warum wählen Sie bestimmte Optionen? Sind es wirklich Ihre aktuellen Präferenzen, die Sie leiten, oder lehnen Sie sich unbewusst an vergangene Entscheidungen an? Versuchen Sie, bewusst neue Wege zu erkunden, sei es bei kleinen Alltagsentscheidungen oder bei größeren Lebensfragen. Dies könnte so einfach sein wie das Ausprobieren eines neuen Cafés oder so bedeutend wie die Erwägung eines neuen Karrierewegs.
Unterm Strich
Der Kern des Wissens um den Self-Herding-Effekt lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Unsere Vergangenheit sollte unsere Zukunft informieren, aber nicht diktieren. Um den Self-Herding-Effekt in alltäglichen Entscheidungen zu navigieren, halten Sie sich an diese Checkliste:
Hinterfragen Sie routinemäßige Entscheidungen: Sind sie noch immer optimal?
Seien Sie offen für Neues und erkunden Sie aktiv Alternativen.
Vermeiden Sie es, sich ausschließlich auf vergangene Erfolge zu verlassen; beziehen Sie aktuelle Informationen und Ziele ein.
Chief Behavioral Officer gesucht
Wo werden täglich Managemententscheidungen getroffen, die immer noch vom logisch handelnden Menschen ausgehen? Wo können Sie diese Woche selbst ein Chief Behavioral Officer sein?
Wir sehen uns kommenden Dienstag.
Wenn Sie uns Tipps oder Feedback senden möchten, dann schicken Sie uns eine E-Mail an redaktion@cbo.news. Vielen Dank.