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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational als auch falsch zu sein."
Wie Confirmation Bias, Halo-Effekt und Nudges eine Entscheidung leiteten
Es war ein typischer Montagmorgen, als wir die Entscheidung für eine neue Teamleitung treffen mussten. Drei Kandidaten standen auf der Liste, aber einer von ihnen, Lisa, fiel mir sofort ins Auge. Sie hatte nicht nur beeindruckende Referenzen von renommierten Unternehmen, sondern wirkte auf den ersten Blick auch sympathisch und kompetent – schon bei der ersten Begegnung. Ohne es wirklich zu bemerken, begann ich, Lisas Stärken besonders hervorzuheben. Ihre Schwächen? Sie schienen mir unwichtig. Ich suchte nur nach Bestätigungen für mein erstes Gefühl: Sie war die Richtige für den Job. Das war der Confirmation Bias am Werk. Unbewusst suchte ich nach Informationen, die meine anfängliche Meinung bestätigten.
Doch es ging noch weiter. Lisas glänzender Lebenslauf und ihre selbstsichere Art während des Gesprächs ließen mich davon ausgehen, dass sie in jeder Hinsicht perfekt war. Ich übertrug ihr einen hohen Standard – nicht nur bei ihren Qualifikationen, sondern auch bei Fähigkeiten, die wir noch gar nicht im Detail besprochen hatten. Der Halo-Effekt hatte dafür gesorgt, dass ich sie aufgrund eines einzigen positiven Merkmals als insgesamt makellos wahrnahm.
Ein paar Tage später, als die Entscheidung näher rückte, erhielt ich eine E-Mail der Personalabteilung: „Vergessen Sie nicht, dass Lisa automatisch in unser internes Fortbildungsprogramm aufgenommen wird, wenn Sie sich für sie entscheiden.“ Dieser Default Nudge erinnerte mich daran, dass das Unternehmen seine neuen Führungskräfte standardmäßig zu Schulungsprogrammen anmeldete, es sei denn, wir entschieden uns explizit dagegen. Es war eine kleine, aber wichtige Entscheidungshilfe, die mir half, an die professionelle Weiterentwicklung von Lisa zu denken – ohne groß darüber nachzudenken, behielt ich die voreingestellte Option bei.
Am Ende wählte ich Lisa – teilweise, weil ich von Anfang an von ihr überzeugt war (Confirmation Bias), teilweise, weil ihre beeindruckenden Merkmale ihre Schwächen überstrahlten (Halo-Effekt), und teilweise, weil der Nudge mich unbewusst dazu brachte, den bequemeren Weg zu wählen. Erst im Nachhinein, als einige der erhofften Fähigkeiten nicht wie erwartet zum Vorschein kamen, wurde mir bewusst, wie stark diese unbewussten Prozesse meine Entscheidung beeinflusst hatten.
Wie funktioniert das? Science, baby!
Biases und Heuristiken sind kognitive Abkürzungen, die unser Gehirn nutzt, um schneller Entscheidungen zu treffen. Sie stammen aus unserer evolutionären Entwicklung und sind tief in unseren Denkprozessen verankert. Während diese Mechanismen in vielen Alltagssituationen hilfreich sind, können sie in professionellen Kontexten, wie z.B. im Personalwesen, zu fehlerhaften Entscheidungen führen. Studien zeigen, dass gezielte Schulungen, strukturierte Interviews und standardisierte Bewertungsprozesse helfen können, diese Verzerrungen zu verringern. Nudges, wie das Setzen von Standardoptionen, beruhen auf Erkenntnissen der Verhaltensökonomie und haben sich in Bereichen wie dem Personalwesen als äußerst effektiv erwiesen.
Warum das wichtig ist
Cognitive Biases wie der Confirmation Bias oder der Halo-Effekt können zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen im Recruiting und Personalmanagement führen. Diese verzerrten Entscheidungen beeinflussen nicht nur die Qualität der Einstellungen, sondern haben auch langfristige Auswirkungen auf die Diversität und Zufriedenheit in Teams. Der bewusste Umgang mit diesen Verzerrungen, durch Schulungen oder Prozessanpassungen, führt zu faireren, inklusiveren und objektiveren Entscheidungen. Deshalb ist es so wichtig, sich der Mechanismen hinter diesen Biases bewusst zu werden und sie aktiv zu bekämpfen.
Und jetzt?
Heute können Sie mit einfachen Maßnahmen beginnen, Biases in Ihrem Alltag zu bekämpfen. Implementieren Sie Checklisten für Bewerbungsgespräche, die den Fokus auf objektive Kriterien legen. Achten Sie darauf, ob Ihre ersten Eindrücke (Anker) Entscheidungen dominieren. Wenn es um Gehaltsverhandlungen geht, versuchen Sie, den Fokus von einer Ausgangszahl (Anker) auf den gesamten Wert der Position zu verschieben. Verwenden Sie bei Präsentationen bewusstes Framing, um positive, aber auch realistische Erwartungen zu setzen. Und überlegen Sie, wo Standardoptionen (Nudges) bei wichtigen Unternehmensentscheidungen den Unterschied machen könnten.
Unterm Strich
Biases und Nudges sind mächtige Werkzeuge im Entscheidungsprozess, können aber auch gefährlich werden, wenn sie unbewusst bleiben. Hier ein paar standardmäßige Beispiele für den Arbeitsalltag im Personalwesen.
Checkliste zur Bias-Vermeidung im Alltag:
Confirmation Bias: Suchen Sie gezielt nach widersprüchlichen Informationen.
Anchoring: Überprüfen Sie, ob Ihr Urteil durch anfängliche Werte beeinflusst wird.
Halo-Effekt: Bewerten Sie Qualifikationen einzeln und unabhängig.
Status Quo Bias: Fragen Sie sich, ob Tradition wirklich besser ist als Veränderung.
Framing-Effekt: Achten Sie darauf, wie Sie Informationen präsentieren.
Chief Behavioral Officer gesucht
Wo treffen Sie diese Woche Personalentscheidungen? Wo haben Sie die Chance, Biases zu erkennen und mit gezielten Nudges fairere, effektivere Prozesse zu schaffen? Wo können Sie selbst als Chief Behavioral Officer agieren?
Wir sehen uns kommenden Dienstag.
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