Kopf sucht Sand!
Warum wir unangenehme Information vermeiden und wieso das nur geht, wenn wir sie erwarten.
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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational zu sein als auch falsch zu liegen." Unser Werkzeug eines Chief Behavioral Officers heute:
Der Ostrich-Effect
„Die Tür ist zu, dann will er gerade nicht gestört werden.“
Irgendwie war die Tür ziemlich häufig zu. Gerade in letzter Zeit, obwohl die Kacke doch am Dampfen ist. Ein Projekt hängt in der Schleife, an der Reklamation stehen sie Schlange und strategische Entscheidungen sind überfällig. Die Blicke zwischen den Mitarbeitenden sprechen Bände. Jede:r tut sein Bestes. Und jede:r weiß, dass da etwas im Argen liegt. Warum schaut er nicht hin?
Wieso stecken wir den Kopf in den Sand?
Wenn eine Information (relativ) wahrscheinlich unangenehme Konsequenzen nach sich zieht, vermeiden wir sie. Das zumindest besagt der Ostrich-Effekt oder auch die „Vogel-Strauß-Taktik“.
Bei Finanzen ist das bekannt: Investoren prüfen ihre Portfolios häufiger, wenn die Märkte im Aufschwung sind und vermeiden den Blick darauf, wenn die Märkte schwanken. Auch Rechnungen werden nicht geöffnet, wenn man sein Budget überzogen hat oder eine Zahlungsunfähigkeit befürchtet.
Das beinhaltet zwei wichtige Dimensionen:
Etwas signalisiert uns, dass eine Information potenziell negativ ist.
Wir können beeinflussen, wann und welche Informationen wir abrufen, erfassen oder uns eben zu Gemüte führen.
Rein rational ist jede Information erstmal hilfreich. Sie zu vermeiden, ändert ja nichts an ihrer Wahrheit. Das beachtet allerdings nicht den Zustand, wenn wir eine unangenehme Information erhalten.
Wenn beispielsweise einer Arbeitskollegin Brustkrebs diagnostiziert wird, nutzen weniger ihrer Kolleginnen die Vorsorgeangebote. Klar: das Risiko ist viel präsenter und durch das Auslassen der Untersuchung verhindert man selbst eine solche Nachricht zu erhalten. Gleichzeitig ist gerade eine frühzeitige Diagnose für die Behandlung wichtig.
Der Wumms der Information ist entscheidend.
Ist es relevant für unsere Leben, das Geschäft, unsere Werte oder den eigenen Stolz?
Ist es ein Beweis dafür, dass wie wir bisher handeln, denken oder eben bewerten, nicht stimmt?
Und können wir potentiell etwas verlieren?
All das scheint einen Einfluss zu haben (sagt zumindest Loewenstein): Die Tendenz Verluste zu vermeiden ist sicher einer der stärksten Triebkräfte. Dazu kommt die Tendenz, in Zweifelsfällen lieber erstmal nichts zu tun. Außerdem versuchen wir, unsere eigene Weltsicht zu bestätigen. Und ja: auch die Ausrichtung auf den Moment, in dem wir die Information erhalten, ohne den Blick in die Zukunft lässt uns die Konfrontation vermeiden.
Das alles sind gute Erklärungen: Wenn unsere bisherige Weltsicht und die Informationen nicht zusammenpassen, entsteht eine Spannung – die viel zitierte kognitive Dissonanz.
Wenn wir die Information gar nicht erst bekommen, verhindern wir auch diese Spannung. Also wird entsprechend reagiert: Wir weichen aus, lenken unsere Aufmerksamkeit auf die vielen anderen Dinge, interpretieren Signale fleißig um, vergessen Termine, sabotieren uns selbst oder betreiben wilden Aktionismus.
Und jetzt?
Als CBO machen Sie es wie der Vogel Strauß: Der steckt den Kopf nicht in den Sand - das ist ein Mythos - sondern reagiert mit der gebotenen Taktik.
Hört die Signale! Wenn Sie ein komisches Gefühl haben, merken wie ein Thema, eine Person oder eine Aufgabe vermieden wird: halten Sie kurz inne.
Was ist gerade los? Woher kommt dieses Unbehagen bei mir oder anderen? Gibt es Signale innen oder außen? Welche Frage (oder welcher Elefant) steht im Raum?
Offene Fragen zu beantworten ist das, was Verantwortung in einem System ausmacht. Auch wenn man selbst keine Antwort weiß, gilt es der Frage den passenden Rahmen zu geben und auszumachen, wer und wie die Frage gut versorgt werden kann.
Mehr dazu im Vortrag von Bernd Schmid zum Thema Verantwortungsvermeidung.
Der Blick von außen: Die Involviertheit macht uns blind. Umso wichtiger ist, gerade wenn uns etwas wichtig ist, der Bick von außen. Das können Modelle aus der Forschung sein, die Aspekte und Komponenten betrachten, von denen wir selbst noch nichts wussten. Das kann ein Mentor sein mit mehr Erfahrung oder aus einem Netzwerk, professionelle Supervision oder Sparring mit einem Fachexperten. Und sogar das Gespräch mit einer fachfremden Freundin oder dem Partner hilft, wenn man einfach den guten alten Menschenverstand gepaart mit ein wenig Empathie einsetzt.
Unterm Strich
Einmal war die Tür einen Spalt breit offen. Und anders als offensichtlich, sprach ich nicht die drohenden Wahrheiten an, sondern wie man danach weitermachen kann. Denn Menschen wissen meistens sehr genau, was sie vermeiden.
“Welche Optionen haben wir, wenn der Worst Case eintritt? Welche Wege öffnen sich, wenn wir erstmal wissen, was Sache ist?“
Denn Gold findet man erst, wenn man den Sand abwäscht.
Chief Behavioral Officer gesucht
Wo werden täglich Managemententscheidungen getroffen, die immer noch vom logisch handelnden Menschen ausgehen? Wo können Sie diese Woche selbst ein Chief Behavioral Officer sein?
Wir sehen uns kommenden Dienstag.
Wenn Sie uns Tipps oder Feedback senden möchten, dann schicken Sie uns eine E-Mail an redaktion@cbo.news. Vielen Dank.