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Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational als auch falsch zu sein."
Der Decoy-Effekt
Der Decoy-Effekt bezieht sich auf das Phänomen, dass Personen dazu neigen, Optionen zu wählen, die nicht die attraktivsten sind, sondern einen Kompromiss zwischen den attraktivsten und den unattraktivsten Optionen darstellen. Dieser Effekt wird häufig in Entscheidungssituationen beobachtet, in denen Personen mehrere Optionen vorgelegt werden und sie sich für eine entscheiden sollen.
Um was es geht
Es scheint uns Menschen, wie mit unsichtbarer Hand, oft weg von den Extremen links und rechts, hin zur ‘goldenen’ Mitte zu ziehen, wenn wir eine Entscheidung treffen müssen. Vor allem dann, wenn wir uns nicht sicher sind, alle genügend Informationen bzw. genügend zufriedenstellende Argumente zur Verfügung zu haben.
Es wird angenommen, dass der Decoy-Effekt durch verschiedene Faktoren ausgelöst wird, darunter der Wunsch, Reue zu vermeiden, die Angst, eine schlechte Entscheidung zu treffen, und die Notwendigkeit, eine Entscheidung vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen.
Wenn man zum Beispiel eine Reihe von Optionen vor sich hat, kann man das Gefühl haben, dass die Wahl der attraktivsten Option zu riskant und die Wahl der am wenigsten attraktiven Option zu einschränkend wäre. Infolgedessen entscheiden sie sich möglicherweise für eine Kompromissoption, die als "sichere" oder "vernünftige" Wahl angesehen wird.
Der Decoy-Effekt kann somit sehr gut mit dem Anker-Effekt verbunden werden, den wir ebenfalls bereits in einem früheren CBO-Nugget vorgestellt haben.
Warum das wichtig ist
Der Decoy-Effekt kann wichtige Auswirkungen für Einzelpersonen und Organisationen haben. Im Zusammenhang mit der Entscheidungsfindung von Verbrauchern kann dieser Effekt zum Beispiel die Art und Weise beeinflussen, wie Produkte vermarktet und bepreist werden.
Unternehmen können diesen Effekt zu ihrem Vorteil nutzen, indem sie ihre Produkte als "Kompromiss" zwischen billigeren, weniger attraktiven Optionen und teureren, attraktiveren Optionen positionieren – egal ob in der eigenen Produktpalette oder zur Konkurrenz.
Im Zusammenhang mit organisatorischen Entscheidungen kann der Decoy-Effekt zu suboptimalen Ergebnissen führen. Beispielsweise können Teams eine Kompromissoption wählen, die weniger effektiv ist als die beste Option, oder Organisationen können in eine Kompromissstrategie investieren, die ihre Ziele mit geringerer Wahrscheinlichkeit erreichen wird.
Eine interessante Möglichkeit den Decoy-Effekt abzuschwächen ist es, die Entscheidungsmöglichkeiten zu erhöhen (aber dann Vorsicht vor dem Phänomen der Paralyse durch Analyse oder auch Entscheidungslähmung genannt) oder zumindest auf die Möglichkeit einer goldenen Mitte zu verzichten. Also bitte nur eine gerade Anzahl an Auswahlmöglichkeiten.Um eine Kaufentscheidung zu fördern, kann der bewusst eingesetzte Decoy-Effekt sehr hilfreich sein. Ein Beispiel für den Kompromiss-Effekt ist die Wahl zwischen zwei Produkten, bei denen eines in einer bestimmten Eigenschaft besser ist, das andere jedoch in einer anderen Eigenschaft besser abschneidet. Ein Verbraucher könnte sich zum Beispiel zwischen einem Auto mit besserem Kraftstoffverbrauch und einem Auto mit mehr Luxus entscheiden und sich schließlich für ein Auto entscheiden, das in Bezug auf beide Eigenschaften einen Kompromiss darstellt.
ABER: Auch wenn hier die akute Kaufentscheidung beeinflusst werden soll und der Einsatz des Decoy-Effekts somit als Erfolg angesehen werden kann, wird dabei allzu gerne (bewusst oder unbewusst) der Einfluss des Post-Purchase-Behavior ignoriert. Also das Verhalten nach dem Kauf und dessen Konsequenzen. Das Verhalten nach dem Kauf beschreibt die Art und Weise, wie ein Kunde denkt, fühlt und handelt, nachdem er etwas gekauft hat. Dies ist der Moment, in dem ein Kunde beurteilt, ob er mit seinem Kauf zufrieden ist oder nicht. Wie er sich fühlt, beeinflusst, ob er weitere Käufe bei Ihnen tätigt. Dabei hat Ihre bewusste Anwendung des Kompromiss-Effekts Ihnen zwar bei der finalen Kaufentscheidung geholfen (Glückwunsch!) jedoch besteht nun auch eine Chance, dass es der letzte Einkauf des Kunden bei Ihnen war. Denn war nicht nur ein Kompromiss, es fühlt sich eventuell auch als solcher an. Und je eher es ein persönlicher, vielleicht sogar sehr emotionaler, Kauf war, desto größer die Wahrscheinlichkeit. Das ‘Nach-dem-Kauf-Gefühl’ kann so eher unbefriedigend sein. Keine gute Basis für einen Wiederholungskunden.
Sollte der Kauf jedoch, zum Beispiel, für jemand anderen sein und man muss sich eventuell sogar für die Budgetausgaben rechtfertigen, dann kann der Einsatz des Decoy-Effektes Gold wert sein. Schließlich geht es um rationale Abwägungen, die man auch ‘verteidigen’ muss. Der nächste Einkauf im Namen des Arbeitgebers ist dann (leider) wieder ein völlig neues Spiel.
Unterm Strich
In einer Welt, in der es vor Auswahlmöglichkeiten nur so wimmelt, sind wir Menschen dankbar für alle Art von Hilfsmitteln, die uns bei der Entscheidung unterstützen. Dabei machen Hilfsmittel, die auf der psychologischen Ebene wirken, mindestens ebenso viel aus, wie rationale Hilfsmittel.
Wie man anhand der Beispiele oben erkennen kann, kann man den Decoy-Effekt einmal dazu nutzen, um die goldene Mitte zu verhindern oder gezielt zu fördern oder sogar zu verschieben. Die Frage lautet - wie fast immer - „was sind Ihre Ziele?“.
Ist der goldene Mittelweg also meist richtig? Wie wir gerade gelernt haben, ist das ist eine Frage der Perspektive und des Zeitpunktes. Wichtig ist nur, dass Sie wissen, ‘Wo’ Sie stehen und auch ‘Wann’, wie uns das Beispiel des ‘Nach-dem-Kauf-Gefühl’ zeigt.
Chief Behavioral Officer gesucht
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Wir sehen uns kommenden Dienstag.
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