Null Arschloch Policy
Brillante Arschlöcher im Betrieb: wie gefährlich sind sie für Umsatz und Performance? Wie können wir mit ihnen umgehen? Wann ist es Zeit, die Reißleine zu ziehen?
Lesezeit ca. 7 Minuten
Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational zu sein als auch falsch zu liegen." Unser Werkzeug eines Chief Behavioral Officers heute:
Brilliant Jerks & die Null Arschloch Policy
Vollendete Drehung. Epische Endpose. Den Blick in die Unendlichkeit gerichtet, schmettert er das letzte Wort. Die Musik verklingt. Stille. Keiner wagt, zu atmen. Dann donnernder Applaus. Die Gäste erheben sich, wollen ihren Star nicht von der Bühne lassen.
Er verneigt sich huldvoll, steigt über das Taschentuch, das er in der vorigen Szene weggeworfen hat, und geht ab.
Ich will das Taschentuch unauffällig weg räumen. Horst hält mich am Arm. „Das machst Du nicht.“ Ich mache es nicht. Das saubere Tuch wurde in der Story der Show zum Schnäuzen benutzt. Jetzt liegt es da. Noch immer, als die Kollegen ihren Auftritt haben und ein romantisches Duett singen.
Es stört gewaltig.
Horst, über sein Notizbuch hinweg: „Wir nehmen morgen das Frühstück.“
Nach der Show eine Diskussion zwischen dem Star und Horst vor dem Restaurant, in deren Verlauf der Tenor so laut wird, dass unsere Auftraggeber es mitbekommen.
Beim Frühstück mit den Künstlern beste Stimmung.
Es gibt ein wundervolles Buffet. Super nette Kellner sorgen sich um das Wohlergehen der Gäste. Sie bringen denen, die nicht gut zu Fuß sind, frische Eier, Tee und Kaffee, räumen ab und um. Schnell und effizient, gönnen sie sich kein einziges kleines Verschnaufpäuschen.
Während alle anderen zum Buffet gehen, lässt der Star auffahren, mäkelt herum und schickt die Bedienung hin und her. Macht an der vermutlichen Grenze ihrer Hörweite abfällige Bemerkungen über die Qualität von Servicepersonal.
Der erfahrene Musicaldarsteller sorgt mit seinen perfekt pointierten Anekdoten für viele Lacher am Künstlertisch. Der geborene Entertainer.
Ein Star in jeder Show, nur nicht mehr in unserer.
Wie funktioniert das?
Robert Sutton, Management Professor in Stanford, hat sich in seinen Bestseller" Der Arschloch-Faktor" des Themas angenommen.
Er berechnete die TAC («total asshole costs»). TAC setzen sich zusammen aus den Ausfallzeiten der psychisch und physisch erkrankten Kollegen, den resultierenden Gesundheitskosten sowie der nachweisbar sinkenden Produktivität und Leistungsbereitschaft der Opfer und Kollegen.
Sutton glaubt, der Höhepunkt der Arschlochdichte in Führungspositionen sei erreicht.
«Weil die Beweislast derart eindeutig ist und die Eindeutigkeit derart eindrücklich, dass Firmen es sich gar nicht mehr leisten können, weiterhin Arschlöcher zu beschäftigen».
Warum das wichtig ist?
Arschlöcher machen zuerst Menschen krank - dann ganze Unternehmen.
Sie kosten allein die US Amerikanische Wirtschaft 24 Milliarden Dollar jährlich.
Die Total Asshole Costs eines Unternehmens mit 1000 Mitarbeitern, können 2 Millionen Dollar jährlich betragen, allein an Kosten für das Ersetzen erkrankter oder weggegangener Mitarbeiter.
Hinzu kommen mögliche Gerichtskosten, Rufschädigung mit Kundenschwund und die Leiden der Angehörigen der Opfer.
Diese Slideshow zeigt das eindrucksvoll.
Arschlochverhalten ist dabei hinaus so ansteckend wie ein Grippevirus:
«Es ist nichts so einfach, wie Menschen in einer Versuchssituation temporär zum Arschloch zu machen. Man setzt sie unter Druck, entzieht ihnen den Schlaf und behandelt sie grob, das reicht schon», sagt Sutton.
Und jetzt? Null Arschloch Policy
Wir haben uns von unseren Brillant Jerk am selben Morgen getrennt.
Unsere Erklärung hat er nicht verstanden, wie schon am Abend zuvor.
Das Team war zunächst entsetzt. So eine wundervolle Show! Die Moderation des Stars war knackig, amüsant, sein stimmgewaltiger Gesang großartig, das Publikum begeistert.
Das minnächtige Verhalten ihres Kollegen der Bedienung gegenüber hatten sie in ihrer Euphorie nicht mitbekommen, oder der Halo Effekt hatte bewirkt, dass sie sich nicht vorstellen konnten, dass so ein begnadeter Musicaldarsteller tatsächlich auch ganz einfach ein Arschloch sein kann.
Mit etwas Abstand gaben sie uns Recht, trotz der Anstrengung, wieder einen neuen Kollegen suchen und einarbeiten zu müssen.
Horst war viele Jahre lang mit seiner Bigband um die Welt getourt. Da bekommt man ein Gespür.
„Ein einziges Arschloch kann Dir die ganze Truppe ruinieren! Du musst Deine Truppe von Arschlöchern frei halten, egal, wie es vielleicht schmerzt. Egal, wie viel Geld du meinst, mit so einem Star verdienen zu können.“
Was meinen Sie? Hat Horst übertrieben?
„Am besten“, sagte Horst, „erkenntst Du ein Arschloch daran, wie es mit Menschen umgeht, die ihm im Rang unterlegen sind.“
Netflix, die Royal Bank of Canada, Air New Zealand oder die weltweit grösste Billigfluglinie Southwest haben eine No-Asshole-Rule verabschiedet und ziehen sie konsequent durch.
Unterm Strich - Wo zieht man eine Grenze?
Man kann doch nicht jeden rausschmeißen, der sich einmal im Ton vergreift, in der Hektik versehentlich in das Territorium eines anderen eindringt, seinen Müll nicht weg räumt oder nicht mitkriegt, wenn er nervt.
Oder jeden, der sich um seine eigene Karriere kümmert und dafür sorgt, dass seine Kompetenz erkannt und gewürdigt wird.
Das liegt schon in der Struktur unserer Bildungs- und Wirtschaftsorganisationen. Wir müssen nicht gut sein, sondern besser als die anderen, wenn wir vorankommen wollen.
Ohne Selbstfürsorge wären wir weder als Gattung, noch als Individuen überlebensfähig.
Die Grenze zwischen förderlicher gesunder Selbstfürsorge, versehentlichen Überreaktionen oder Empathiemangel und gefährlichem Egoismus liegt dort, wo das Arschlochverhalten nicht situationsbedingt und ungewollt auftritt, sondern System hat.
Dort, wo es zur Lebensstrategie eines Menschen gehört, andere zu übervorteilen, ihnen die Show zu stehlen, sie klein und lächerlich zu machen, zu erniedrigen und auf allerlei Art zu quälen, um selbst besser dazustehen, ohne Rücksicht auf Verluste.
Erinnern Sie sich an unseren satirischen Nugget „Wie demotiviert man einen Mitarbeiter“?
Oder an die perfide Nummer mit dem Gaslicht?
Arschlöcher treten besonders dort häufig auf, wo es großen Konkurrenzdruck gibt und die Möglichkeit, als Einzelperson zu bedeutendem Reichtum, Ruhm oder Macht zu gelangen.
Im Showgeschäft und Leistungssport, in den Chefetagen, in der Politik.
Die Ursachen für Arschlochverhalten sind verschieden.
Achten Sie auf förderliche Arbeitsumgebungen, die die Gemeinschaft stärken und Sinn stiften.
Passen Sie auf, dass Ihre Mitarbeiter nicht unter Schlafmangel und andauerndem Druck leiden.
Sprechen Sie mit dem Arschloch-verdächtigen Mitarbeiter! Finden Sie heraus, ob Sie ihm helfen können, eine belastende Situation zu entschärfen, Missverständnisse aufzudecken, sich zu erholen oder mit einem Coach zu arbeiten, um eventuelle Ursachen zu beheben.
Passen Sie auf, dass Sie nicht dem fundamentalen Attributionsfehler unterliegen und allzu schnell geneigt sind, dasVerhalten eines Anderen für charakterbezeichnend zu halten, obwohl es in Wirklichkeit vielleicht nur der besonderen aktuellen Situation geschuldet ist. » Ist der so oder ist das so?
Wenn Sie merken, dass das schädliche Verhalten so tief sitzt, dass Sie der Person im Betrieb nicht helfen können, sehen Sie es ein und trennen Sie sich!
Dieser amüsante Beitrag mag ihnen dabei helfen, die geeignete Person zu finden, um mit dem Arschloch fertig zu werden: Team America- Harte, Pussies und Arschlöcher
Brillant Jerks sind Stars. Sie bringen Ihnen viel Geld ein, aber sie kosten so viel mehr, als sie einbringen!
Überwinden Sie ihren Halo Effekt und hören Sie gut zu, wenn Mitarbeiter sich über Kollegen und Vorgesetzte beklagen. Zeigen Sie, dass Sie der Sache auf den Grund gehen und dass man Ihnen angstfrei alles sagen kann.
Reden Sie mit der Belegschaft darüber, was Arschlöcher tun und wie damit umgegangen werden soll. Welche Verhaltensweisen können Sie und Ihre Mitarbeiter benennen, die nicht toleriert werden sollen? Sensibilisieren Sie sich selbst und ihre Belegschaft für Situationen und Arbeitsbedingungen, die Arschlochverhalten begünstigen, und schaffen Sie diese aus der Welt. Alle mit einzubeziehen, bewahrt Sie vor Entscheidungsreue, diesem fiesen Gefühl, das besonders erbarmungslos zuschlägt, wenn Sie fast die richtige Entscheidung getroffen hätten.
Sollten Sie jetzt denken, „vielleicht ist es doch am Schlauesten, erst einmal abzuwarten“, lege ich Ihnen den Nugget „Machen oder sein lassen?“ ans Herz.
Falls Sie einen Brillant Jerk zum Vorgesetzten haben und Ihr Chef unter der » Sunk Cost Fallacy leidet („Jetzt haben wir schon so viel in den Mitarbeiter investiert, jetzt behalten wir ihn auch“), oder dem » Halo Effect erlegen ist („Der ist so gut in seinem Job, der muss in Ordnung sein“), wird der Gang zur Personalabteilung Ihnen nicht viel helfen.
Tragen Sie es mit Humor, wenn Sie können.
Geben Sie dem Arschloch die Anerkennung, die es braucht, und setzen Sie freundlich und bestimmt klare Grenzen.
Nehmen Sie es sportlich und beobachten Sie sein Verhalten, um etwas über Psychologie zu lernen.
Halten Sie sich möglichst fern von ihm, um nicht unter seinen Attacken zu leiden oder selbst vom A-Virus angesteckt zu werden. Setzen Sie sich bei Meetings nicht an die gegenüberliegende Tischseite, damit seine Blicke Sie nicht treffen.
Halten Sie es wie der Philosoph Epiktet, achten Sie darauf, selbst gut zu denken und zu handeln und lassen Sie die Äußerungen und Taten von Arschlöchern Teflon-artig an sich abperlen.
Leichter gesagt, als getan.
Wenn es nicht geht, lassen Sie es und suchen Sie sich innerhalb oder außerhalb der Firma einen andern Job.
Vorher können Sie es ja doch einmal bei der Personalabteilung versuchen, vor allem, wenn Sie ihre Kollegen hinter sich wissen.
Sunk Cost Fallacy und Halo Effekt gehören zu unseren automatischen kognitiven Verzerrungen, die in unserem Erbgut begründet sind. Seien Sie Ihrem Chef nicht böse, wenn diese sehr menschlichen Biases ihn daran hindern, ein Arschloch zu erkennen.
Chief Behavioral Officer gesucht
Wo werden täglich Managemententscheidungen getroffen, die immer noch vom logisch handelnden Menschen ausgehen? Wo können Sie diese Woche selbst ein Chief Behavioral Officer sein?
Wir sehen uns kommenden Dienstag.
Wenn Sie uns Tipps oder Feedback senden möchten, dann schicken Sie uns eine E-Mail an redaktion@cbo.news. Vielen Dank.